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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Krechel
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samtigen, olivfarbenen Augen bekümmert an. Kornitzers Mittlerdienste zwischen der Hilfsorganisation
Joint
, bei der er als
doctor
angesehen war, ohne etwas Nennenswertes zu leisten, seine Spanischkenntnisse und seine Arbeit für den Rechtsanwalt trugen ein wenig zur Ordnung, zur Strukturierung der Fallen bei. Er konnte inzwischen im Namen der Rechtsanwaltskanzlei ganz leidlich Briefe schreiben an hochwohlgeborene Herren, Herren, die sich beschämend bedeckt hielten, im Kühlen blieben, während die Hitze brüllte und die Not. Er bat häufig Señora Martínez noch einmal darum, einen Blick auf diese Artefakte zu werfen. Mal korrigierte sie ein Wort oder einen Rechtschreibfehler, mal fügte sie einen Schnörkel hinzu, den Kornitzer nirgendwo bis jetzt gelesen hatte, also auch nicht beherrschen konnte. Die Rhetorik stand hoch im Kurs. Worte dienten nicht so sehr dazu, Gedanken auszudrücken, als vielmehr dazu, deren Abwesenheit zu verbrämen. Auf die Eleganz des Ausdrucks wurde mehr Wert gelegt als auf Klarheit. Schönschreiben. Schönreden. Schönfärben. Eine hohe Schule auf dem gespannten Seil der Hochsprache. So war die Hierarchie strategisch gesichert. Der neue Mitarbeiter brauchte Señora Martínez, damit er vor dem Rechtsanwalt gut da stand, er deckte ihre Nachlässigkeit, und so waren sie insgesamt kein schlechtes Team. Und der Rechtsanwalt unterschrieb die Briefe, die Kornitzer verfaßte, gutmütig oder sympathisierend, das wußte Kornitzer nicht immer so genau. Eines Tages lag ein Packen Rechnungen an Mandanten auf seinem Tisch sowie ein Gummifingerhut. Als Kornitzer nach dem Grund fragte, erfuhr er, er sei so vertrauenswürdig, daß er in Zukunft den Eingang der Zahlungen prüfen und in eine schwarze Kladde eintragen solle. Ob diese Honorare, die er verbuchte, überteuert waren, darüber machte sich Kornitzer, während er prüfte und Zahlenkolonnen schrieb, seine Gedanken, die aber zu nichts führten.
    Wer später nach Kuba kam, war gewarnt. Er bekam von den früher gekommenen Flüchtlingen eine saftige Einführung in die Landeskunde: Der Präsident heißt jetzt Fulgencio Batista, und er ist ein Bandit. Vorsicht vor
tiburones
! Darunter verstand man überaus freundliche Leute, die sich ganz unbefangen den Emigranten näherten und sich ihre Nöte erzählen ließen. Es waren Haifische, Berufsbestecher. Sie lungerten vor Polizeistationen, vor dem Innenministerium und warteten auf solche, die ein Gesuch einbringen wollten. Im Handumdrehen erklärten sie, was die Erfüllung ihres Wunsches kosten würde, und dann gingen sie unverfroren, sich die Hände reibend, mit dem Bittsteller in das Zimmer des entsprechenden Beamten. Dort schob der
tiburón
dem scheinbar sehr beschäftigten Beamten eine Anzahl von Geldscheinen unter ein Papier, und die Sache war erledigt. Für ihn selbst fiel natürlich auch ein Batzen ab. Und der Flüchtling wußte nicht, ob er nur abgezockt worden war oder die Bestechung wirklich einen amtlichen Akt zur Folge hatte. Die
Polocos
, mit den Landessitten schon länger vertraut, benutzten für dieselbe Gattung Mensch den jiddischen Begriff
Machers
. Sie nahmen den Vorgang nicht so tragisch wie die Neuankömmlinge, die
Machers
waren Juden, Händler wie sie, nur handelten sie mit Informationen und Geld, also Schwamm drüber. Auch in Mexiko gab es diese übereifrigen, schmierigen Helfer, die Schlepper und Schleuser, dort nannte man sie
coyotes
.
    Die Regierung, das ganze Land ist korrupt. (Doch man mußte zugeben, daß die Beamten lausig schlecht bezahlt wurden und deshalb gerne die Hand aufhielten.) Auch Straßenbahnschaffner zweigen einen Teil des Tarifs für sich ab. Nicht einmal einen Totenschein kann man ohne Bestechung bekommen. Der Tote liegt da, in der Hitze an einer dummen Blutvergiftung schnell gestorben, und nun feilschen die Freunde um einen Begräbnisplatz, um die Sicherheit, wann eine Trauerfeier an einem akzeptablen Ort stattfinden könnte. Jeder begriff, was geschehen war, dieser schmerzhaft schnelle Tod verstörte, der jeden treffen könnte, der nicht gut versorgt war und Vorerkrankungen hatte. Und so blieb eine Handvoll Freunde übrig, die den Spanienkämpfer, den Republikaner, der es geschafft hatte, nach Kuba zu kommen nach der Niederlage, betrauerten. Sie hätten dem Krankenhausarzt ein paar Scheine zustecken müssen, sie hätten den Begräbnisunternehmer schmieren müssen, damit er einen Ort für die Trauerfeier fände, sie hätten die Totengräber mit einer Invasion von

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