Landgericht
stehen, und gleichzeitig rast er. Er ist Richter und richtet sich auf in seinem Gerechtigkeitsempfinden. Sein unerschütterliches Rechtsempfinden sucht die Beratung durch den Rechtsanwalt. Er will sich nichts sagen lassen von dem ihm im Dienstalter unterlegenen Brink, er will das Sagen haben vor der Öffentlichkeit. Er ist aufrichtig, und er lehnt sich auf. Er ist ein menschliches Oxymoron. Er geht mit dem Kopf durch die Wand, und das tut weh. Er holt sich Beulen und tritt auf, als wäre er unverletzt. Er ist schrecklich gerecht, auch gegen sich selbst, auch für sich selbst, selbstgerecht.
Zwischen seinen Terminen verfaßte auch Landgerichtsdirektor Zeh, äußerst effektiv, damit nichts aus dem Gedächtnis verlorenging, eine dienstliche Erklärung, die auch als ein Zeugenbericht gelten könnte, wenn er zufällig bei einem Verkehrsunfall zugegen gewesen wäre.
Am Morgen des 20. September teilte mir – in meiner Eigenschaft als Präsidialrat – Justizobersekretär Fell von der Präsidialkanzlei mit, Landgerichtsdirektor Dr. Kornitzer wünsche mich dringend zu sprechen. Etwa um 9 ¼ Uhr rief ich diesen telephonisch an. Im Laufe des Gespräches äußerte Landgerichtsdirektor Dr. Kornitzer, er wolle vor der um 9.30 Uhr beginnenden Kammersitzung eine öffentliche Erklärung abgeben, wozu er die Presse eingeladen habe
. (Auf dem erhaltenen Blatt seiner Erklärung befindet sich an dieser Stelle eine Bleistiftbemerkung eines, nein: d e s Leiters der nachfolgenden Untersuchung:
Also Presse nicht wegen der Sache 1059/53?
Das war in der Tat die Frage. War eine außerordentliche Aufmerksamkeit vom Verhandlungsführenden Richter initiiert worden? Oder war die Öffentlichkeit schon auf verschiedene Weise instruiert, und Landgerichtsdirektor Zeh mußte den Fall aus nächster Nähe dokumentieren? Aber zunächst schrieb er in seiner Erklärung:
Er
(Kornitzer)
bat mich, in den Sitzungssaal 507 zu kommen und mir die Erklärung anzuhören. Über den Inhalt der beabsichtigten Erklärung machte er keinerlei Angaben. Wenn ich auch an dem Ernst der Mitteilung zweifelte, begab ich mich gleichwohl in den betreffenden Sitzungssaal. Dort befand sich außer einigen Rechtsanwälten tatsächlich ein Vertreter der Deutschen Presse Agentur namens Kummer, den ich kenne. Daraufhin verließ ich wieder den Sitzungssaal und suchte nach Landgerichtsdirektor Dr. Kornitzer, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Ich traf ihn im Beratungszimmer und in Anwesenheit seiner Beisitzer, des Landgerichtsrates Hartmann und des Gerichtsassessors Nell, und mehrerer Referendare. Als ich auf ihn zuging und ihn begrüßte, machte er eine abweisende Geste und gab das Zeichen zum Betreten des Sitzungssaals. Sein Verhalten ließ erkennen, daß er auf der Ausführung seines Vorhabens bestand. Ich ging dann in den Sitzungssaal. Dort erklärte Landgerichtsdirektor Dr. Kornitzer, umgeben von seinen zwei Beisitzern, er habe eine Erklärung vor Beginn der Sitzung abzugeben
. Auch an dieser Stelle des Berichts befindet sich eine Anmerkung am Rande des Blattes:
Eigenen Namens?
Der Bericht fährt fort:
Alsdann verlas er Artikel 3 des Grundgesetzes, wobei er meiner Erinnerung nach den Absatz 2 fortließ. Er fügte hinzu, auf einer noch folgenden Pressekonferenz werde er nähere Erklärungen abgeben
.
Zeh unterschrieb, sorgfältig mit einem großen schnörkligen Zett, das E wurde entschieden kleiner und der letzte Buchstabe, das H noch einmal kleiner, wie geduckt vor dem Landgerichtspräsidenten, damit er bloß nichts falsch machte und sich selbst nicht gefährdete als Parteigänger des Grundgesetz-Verlesers. Und hinter seinen Namen setzte er einen Punkt, wie zur Erleichterung. Ein Aufatmen. Aber damit war es nicht getan. Am Nachmittag wurde er zu Landgerichtsdirektor Haldt gerufen, Justizobersekretär Fell saß da, sah ihn aufmerksam an wie eine Schildkröte mit wackelndem, vorgerecktem Kopf und wartete auf seine Antworten, um sie zu protokollieren. Landgerichtsdirektor Haldt fragte, er tat das so eindringlich wie ein Untersuchungsrichter, wenn Gefahr in Verzug ist: Was für eine Geste war das, die Dr. Kornitzer machte? Warum war der Journalist im Raum? Es war doch eine öffentliche Verhandlung, aber darauf kam es Haldt nicht an. Am Ende der Untersuchung stand das Ergebnis:
Es erscheint Landgerichtsdirektor Zeh und erklärt: Zur Ergänzung meiner heutigen dienstlichen Erklärung erkläre ich wie folgt: Wenn ich von einer „abweisenden Bewegung“ Dr. Kornitzers sprach, so
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