Landgericht
öffentlich das Grundgesetz in Erinnerung brachte, nachdem es sieben Jahre in Kraft war? Man würde es am nächsten Tag wissen.)
Landgerichtsdirektor Zeh erhob sich auch, nickte dem Vorsitzenden Richter und den beiden Beisitzern zu, sah mahnend auf die Uhr, schon viel zu viel seiner kostbaren Zeit am ersten Tage der neuen Sitzungsperiode war beansprucht worden, und er verließ den Sitzungssaal. Sein Gehen sah aus wie ein verlegenes, verfrühtes „Prost Mahlzeit“. Er hatte selbst einen Prozeßtermin. Für kurze Zeit hielt er sich noch im Beratungszimmer auf. Sprach er mit den dort Anwesenden über den Vorfall? Das ist nicht bekannt. Telephonierte er mit dem Landgerichtspräsidenten? Setzte der sich sogleich mit dem Oberlandesgericht Koblenz in Verbindung? Auch das ist nicht bekannt, aber stark zu vermuten, denn die Ereignisse überschlugen sich.
Zwischen 11 und 12 Uhr wurde der Landgerichtsdirektor Brink vom Oberlandesgerichtsrat Walther beauftragt, die Herren Hartmann und Nell zu dienstlichen Äußerungen über die Vorfälle in der Sitzung der 1. Zivilkammer zu veranlassen, die bis spätestens um 16 Uhr im Präsidentenzimmer des Landgerichtes vorliegen sollten. Und er wurde weiterhin beauftragt, Kornitzer auszurichten, daß dieser sich um 17 Uhr im Präsidentenzimmer des Landgerichts einfinden solle, also die Zeugen zuerst und dann derjenige, dessen Tat sie bezeugen sollten. Brink verfaßte darüber eine dienstliche Äußerung, in der er schrieb, er habe Kornitzer gegen 12 Uhr in seinem Dienstzimmer angetroffen. Dieser sei jedoch offensichtlich in einer Beratung mit seinen Kammermitgliedern gewesen und habe davon abgesehen, sie zu bitten, für die Dauer der Unterredung mit ihm das Zimmer zu verlassen. Deshalb habe die Unterredung vor der geschlossenen Tür des Dienstzimmers stattgefunden. Landgerichtsdirektor Brink richtete Landgerichtsdirektor Kornitzer aus, daß Herr Oberlandesgerichtsrat Walther vom Oberlandesgericht Koblenz angerufen habe und ihn im Auftrag des Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten bitte, sich um 17 Uhr im Präsidentenzimmer einzufinden. Brink schrieb weiter, er habe angenommen, daß der Anruf im Auftrag des Oberlandesgerichtspräsidenten erfolgt sei. Zu welchem Zweck Kornitzer sich einfinden solle, sei nicht erörtert worden, vielleicht weil sie beide im Flur vor der Tür des Dienstzimmers standen. Kornitzer habe drei Gründe vorgetragen, warum er der Bitte (Anordnung?) nicht Folge leisten könne. Erstens fühle er sich gesundheitlich nicht dazu in der Lage, zweitens wolle er zunächst seinen Rechtsanwalt sprechen, drittens könnten bei der telephonischen Übermittlung Mißverständnisse möglich sein, so daß er auf eine schriftliche Mitteilung des Auftrags Wert legen müsse. Im Anschluß danach bemerkte Kornitzer, schrieb Brink, daß es sich wohl um die Vorgänge in der Sitzung am Morgen handeln müsse, die den Auftrag ausgelöst hätten. Brink bestätigte das und wies darauf hin, daß auch die Herren Landgerichtsrat Hartmann und Gerichtsassessor Nell zu einer dienstlichen Äußerung veranlaßt werden sollten.
Nunmehr
, schrieb Brink weiter,
erhob Dr. Kornitzer plötzliche Einwände dagegen, daß ihm der Auftrag des Oberlandesgerichtspräsidenten durch mich übermittelt würde. Er meinte, daß ein dienstjüngerer Landgerichtsdirektor ihm einen derartigen Auftrag nicht übermitteln könne, sondern in einem solchen Falle, wenn dienstältere Kollegen nicht zur Verfügung stünden, der Oberlandesgerichtspräsident ihn unmittelbar beauftragen müsse. Er lehnte nun kategorisch die Entgegennahme jeder Erklärung meinerseits ab und wollte damit auch den bereits übermittelten Auftrag als ungehört
(unerhört?)
hinstellen. Noch während ich feststellte, daß ich meinem Auftrage bereits nachgekommen sei, ging er in sein Dienstzimmer zurück und ließ die Türe, ohne daß ich jedoch sagen könnte, daß dies absichtlich geschehen sei, sehr vernehmlich ins Schloß fallen. Die Unterredung war in wenigen Minuten beendet und verlief ruhig – bis auf den Vorfall am Schluß
.
Eine Tür, die vernehmlich ins Schloß fällt, zwei Paragraphen des Grundgesetzes, vorgetragen aus richterlichem Mund, die ins Ungewisse fallen, ein Journalist mit unklarem Auftrag im Raum, all das legt Teile des Landesgerichts lahm. Und Kornitzer ist starr oder unerschütterlich. Unbeirrbar oder hochfahrend oder niedergeschlagen oder alles zusammen. Etwas ist geschehen, und mehr wird geschehen. Kornitzer bleibt auf einem Fleck
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