Landgericht
erkläre ich dazu ergänzend, daß mir Dr. Kornitzer zurief: „Wir fangen gleich an.“ Es ist möglich, daß Dr. Kornitzer, bevor er dann im Sitzungssaal die Grundgesetzartikel verlas, sich dahingehend geäußert hat, er wolle eigenen Namens, nicht im Namen der Kammer eine Erklärung abgeben. Genaue Erinnerungen habe ich nicht mehr. Ich weiß auch nicht mehr, ob Dr. Kornitzer außer Artikel 3 auch Artikel 97 des Grundgesetzes verlesen hat. Kurze Zeit nach Verlassen des Sitzungssaales traf ich den Berichterstatter Kummer auf der Treppe des Gerichtsgebäudes. Wir kamen ins Gespräch, in dessen Verlauf er erklärte, er sei beauftragt worden, die Sitzung der 1. Zivilkammer zu besuchen und dort eine Erklärung von Landgerichtsdirektor Kornitzer anzuhören. Der Berichterstatter hat nicht erwähnt, daß er wegen eines Prozesses der Stadt Mainz gegen Leichtstoffwerke erscheine
.
Zeh unterschrieb auch dieses Protokoll, daneben unterzeichnete der Landgerichtspräsident. Daß er jemals über eine bedenkliche Nähe zu Kornitzer befragt werden könnte, hatte noch am Vortag für Zeh in den Sternen gestanden, und denen war unmittelbar zu vertrauen von allen Parteien, aber dem eigenen Gedächtnis nicht. Also mußte Zeh danach befragt werden, und er mußte sich äußern wie ein Zeuge.
Auch der Gerichtsassessor Nell schrieb einen Bericht, zaghaft, sorgsam, knapp, denn er wußte nicht, mit wem er sich solidarisieren (auf welche Seite er sich schlagen) sollte. Das war ein Eiertanz, dem der junge Mann (Gardasee, Gardasee oder ein Schweigen, in die Akten vertieft) nicht gewachsen war.
Herrn Landgerichtspräsidenten
auf Erfordern erkläre ich dienstlich:
An der 1. Sitzung der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz nach den Gerichtsferien am 20. September 1956 nahm ich als Beisitzender Richter teil. Nachdem die Kammer am Richtertisch Platz genommen hatte, sagte der Vorsitzende, Herr Landgerichtsdirektor Dr. Kornitzer, er wolle eigenen Namens, nicht namens der Kammer, eine Erklärung abgeben. Er verlas den Artikel 3 Abs. 3 und 97 Abs. 1 des Grundgesetzes und gab anschließend seiner Absicht Ausdruck, eine Besprechung mit der Presse abzuhalten, dann eröffnete er die Sitzung mit dem Aufruf der ersten Sache
. Mit anderen Worten: Der Gerichtsassessor Nell hat ein ungleich klareres Gedächtnis als Landgerichtsdirektor Zeh, vielleicht deshalb, weil er weiß, es kommt noch nicht so sehr auf ihn an, er ist nur eine kleine Nummer, keine Stütze im Gebälk eines vielleicht ins Wanken geratenen Justizapparates, und er scheut sich auch nicht, Zweifel und Irritationen auszusprechen, es wird ihn, so jung und so unerfahren wie er ist, nichts kosten. Er ist in etwas hineingeraten. Und so schreibt er:
Über den Anlaß und den Zweck der abgegebenen Erklärung bin ich mir nicht klar geworden, weil der Landgerichtsdirektor Dr. Kornitzer sich hierüber nicht äußerte
.
Ein im Sitzungssaal anwesender Presseberichterstatter verließ bei Aufruf der ersten Sache den Sitzungssaal. Ich war hierüber verwundert, weil mir vor der Sitzung zugetragen worden war
– hier gab es eine handschriftliche Bemerkung am Rande seines Berichts, ein Frauenname war zu entziffern, Liesel, der Vorname, wer hieß Liesel im Jahr 1956?, der Nachname unleserlich, vielleicht Hellig oder Heilig oder Hellweg, vielleicht der Name einer Sekretärin, jedenfalls ein Name ohne eine Funktion, Assessor, Landgerichtsrat, Landgerichtsdirektor, und es gab einen Verweis auf eine spätere Seite der Eingabe an das Justizministerium. Offenbar waren nur niedere Personen Zuträger, Wasserträger in einem Verfahren, die höheren Personen verfertigten dienstliche Erklärungen, Vernehmungsprotokolle, Papier, Papier, das nur den richtigen Weg, den Dienstweg einschlagen mußte, um gelesen zu werden. (Und so war es auch.) Ja, weil es dem Assessor
zugetragen worden war
, mußte man noch einmal lesen,
daß die Presse die Verhandlung in dieser ersten Sache mithören wollte
. Es folgte eine unspezifische Unterschrift,
Nell
, und das war’s, ein Krakel, als wäre der Schreiber erleichtert, an ein Ende, wie immer es aussah, gekommen zu sein. Punkt.
Landgerichtsrat Hartmann schrieb gleichzeitig auf dem Dienstweg an den Landgerichtspräsidenten über die
persönliche Erklärung des Landgerichtsdirektors Dr. Kornitzer
und auch weiter:
Ich habe offen gestanden den Sinn dieser Erklärung nicht begriffen und war deswegen überrascht. Zwar hatte ich vor der Sitzung eine vage Andeutung von einer bevorstehenden
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