Landgericht
Abwiegelung geworden, zu denen die Erregungen nicht paßten.
Aber sie war auch einmal in Tränen ausgebrochen, als Richard in sie drang. Der Tränenausbruch war eine Erleichterung in der übergroßen Spannung, unter der sie sich befand. Aber Richard, der die Nässe, die ihr Gesicht überströmte, sofort bemerkte, zog sich schockiert, verletzt zurück, als habe er sie zum Weinen gebracht, aber so war es nicht. Die übergroße Nähe war es, kein Blatt Papier paßte mehr zwischen sie. Und als Richard sie, aus dem ehelichen Gleichmaß des Gebens und Nehmens hinauskatapultiert, im Dunklen fragte: Claire, warum weinst du denn?, wußte sie nicht wirklich zu antworten. Sie weinte nicht aus Traurigkeit, sie weinte nicht aus Verlustangst. Sie weinte, weil sie ihren Mann in aller Entblößtheit der Angst vor der Zukunft erkannt hatte, ja, nackt und bloß und zitternd, und sie weinte, wie sie sich ihm zeigen mußte, nackt und bloß und voller Angst, was werden sollte aus ihnen. Hatten Adam und Eva, als sie sich zum ersten Mal vollkommen nackt sahen, auch geweint?, schoß es ihr durch den Kopf. Es ist nichts, Richard, sagte sie, es ist nur ein Überschwang, und sie glaubte, ihre Stimme habe belegt geklungen.
War Claire früher gerne mit Richard zu Filmpremieren gegangen, wenn ein Werbefilm aus ihrer Firma lief, so hatte sie jetzt den Eindruck, sie stoße an einen Bordstein und stolpere, immer wieder. Ja, sie war willkommen. Ja, man konnte die Geschäftsführerin der Werbefilmfirma gut brauchen, sie war angesehen, zweifellos. Aber etwas stockte, bremste aus, blockte ab. Und sie mußte sich sagen, es war der Mann an ihrer Seite, an dessen Seite sie sich gerne zeigte. Der um seine Arbeit gebrachte Richter war nicht mehr so präsentabel, was sollte man ihn fragen, mit welchem Thema einbeziehen? Jemand, dem das „Juden raus“ in den Ohren klang, schaute nicht ganz glücklich, begeisterte sich auch nicht für jeden Film. Es war ja nicht so, daß „ihre Leute“, so nannte sie die Filmleute, sich maßlos in das politische Fach mischten. Eher war es ein Wind, der über sie hinweg wehte und ihrem Mann ins Gesicht blies. Der Beginn kam schleichend, auf leisen Sohlen, und daß dies der Beginn war, ahnte sie nicht, ahnte ihr Mann nicht. Es waren Maßnahmen, die zu beachten waren, Maßnahmen, die zweifellos unerfreulich waren und den eigenen Radius einengten. Aber wie lang, zu welchem Zweck? Das mußte sorgsam beobachtet und am Abend analysiert werden.
Claire und er waren in diesem Sommer häufig mit dem kleinen Georg zum Wannsee gefahren. Georg, bewaffnet mit Eimerchen, Backformen, die er aber nicht benutzte, und einer Schaufel, schippte Sand und trug ihn ins Wasser, als könnte er mit Beharrlichkeit zum Grund des Strandes vordringen und fände, wenn er nur tief genug graben würde, etwas, das nicht Sand war, etwas Überraschendes, vielleicht einen Schatz. Claire und Richard liebten die Strandausflüge mit dem Kind, er schwamm hinaus, weit hinaus, Claire blieb bei Georg am Ufer, zeigte ihm den Vater als einen kleinen Punkt im Wasser, dann tauchte Richard wieder auf, ein großer, nasser menschlicher Seehund, der sich schüttelte und, auf einem Bein hüpfend, sich doch wieder in den Vater verwandelte, der sich das Wasser aus dem Ohr rieb. Georg lachte, lachte, und dann setzte sich der Vater zu ihm in den Sand, hinterließ eine feuchte Spur, und Claire stieg ins flache Wasser, winkte zurück, warf sich ins brusttiefe Wasser, dann war ihre Gestalt unter der Menge der Badenden nicht mehr auszumachen. Aber Richard schaute auf den See, bis er sie wieder entdeckte oder besser: ihre gelbgestreifte Bademütze. Er spielte mit Georg, half ihm beim Schaufeln, und als Claire wieder vor ihm stand, strahlend, kraftvoll, war er, ja was?, ja, er war glücklich. Der Wannsee schien vergoldet, gleißendes Licht, die Segelboote am Horizont wie Wattetupfer, Kornitzer roch nicht mehr den penetranten Geruch des Sonnenöls, hörte nicht mehr das Kreischen und Rufen der Badegäste um die Familie herum, er sah das Licht, trank das Licht, und dann streckte sich Claire, trockengerubbelt, neben ihm aus, berührte zufällig oder nicht mit ihrem Knie sein Schienbein, und er mußte seine Erregung verbergen, indem er sich auf den Bauch drehte. Georg planschte im Wasser, aber er ging unsicher tapsend mit bloßen Füßen auf dem Sand. Die Masse des Sandes, der zu schaufeln war, interessierte ihn, die einzelnen pieksenden Sandkörner waren ihm zuwider.
In diese schönen
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