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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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ich stärker war. Ich wollte so viel von diesem Gefühl haben wie nur möglich. Und dann habe ich ausgeholt und gegen seinen Kopf getreten.«
    Er fiel in Schweigen. Wieder war nur das Rauschen der Computerlüftung zu hören. Hambrock betrachtete ihn. Er wartete. Schließlich sah Nils betreten auf.
    »Ich wollte ihn nicht wirklich töten«, sagte er. »Ich wollte nur dieses Gefühl. Dass ich stark bin, und er ist völlig wehrlos. Das war so geil. Ich hab da gar nicht weiter drüber nachgedacht, was ich da mache. Ich hab einfach zugetreten, richtig mit Wucht. Es hat geknackt, und dann hat er sich nicht mehr bewegt. Als dann der Zug weg war, hab ich gemerkt, dass die Leute von der anderen Seite der Gleise wieder zu uns rübersehen konnten. Die starrten noch alle den Typen hinterher, die da abgehauen sind. Da bin ich einfach ein paar Schritte zurück, und schon stand ich wieder in der Dunkelheit, und keiner konnte mich sehen.«
    »War dir klar, dass dein Bruder da nicht mehr lebte?«
    »Keine Ahnung. Ich glaub schon. Von den Büschen aus hab ich beobachtet, wie einer Wiederbelebung gemacht hat, und ein anderer hat den Notarzt gerufen. Und kurze Zeit später kam die Polizei, und dann ging’s richtig los. Das war alles total krass, und ich hatte echt Schiss, dass die mich erwischen. Da bin ich wieder zurück zur Villa geschlichen und durchs Fenster in mein Zimmer geklettert.«
    Hambrock betrachtete ihn aufmerksam. Da war nicht die Spur eines Schuldgefühls zu erkennen. Der Junge schien völlig empfindungslos zu sein.
    »War dir denn egal, was mit Marius passiert ist?«, fragte er. »Auch wenn du eifersüchtig auf ihn warst, er war doch immer noch dein Bruder. Fandest du es denn nicht schlimm, dass du ihn getötet hast?«
    Nils blickte zu Boden. Er antwortete nicht. Hambrock wollte ihn nicht so leicht davonkommen lassen. Er sollte sich seiner Tat stellen. Die Verantwortung übernehmen.
    Es dauerte, doch schließlich blickte Nils auf und sah ihn mit klarem Blick an. Hambrock rechnete jetzt endlich mit einer Antwort, doch stattdessen sagte der Junge: »Ich bin ja erst dreizehn. Mit wie viel Jahren Knast muss ich da rechnen?«
    Als Hambrock am nächsten Nachmittag das Büro verließ, bot Henrik Keller an, ihn nach Hause zu fahren. Es war an der Zeit, endlich die vielen Überstunden abzufeiern, die sich aufgehäuft hatten. Dieses Mal wollte Hambrock die Arbeit nicht mit nach Hause nehmen, das hatte er sich fest vorgenommen. Er würde stattdessen den Küchenschrank reparieren. Vielleicht Erlend mit einem aufwendigen Essen überraschen. Überhaupt mehr Zeit mit seiner Frau verbringen. Er hatte einiges wiedergutzumachen.
    In Kellers Wagen roch es wie in einem Aschenbecher. Überall hatte sich der Zigarettenrauch eingefressen. In den Sitzen, den Armaturen, der Kunststoffverkleidung. Obwohl der Passat noch keine fünf Jahre alt war, würde Keller kaum noch einen angemessenen Preis für ihn bekommen, falls er ihn verkaufen wollte. Den Dreck und den Gestank würde man nie wieder aus dem Wagen herausbekommen.
    Als Keller den Motor anließ, steckte er sich gedankenverloren eine Zigarette in den Mundwinkel. Er nahm das Feuerzeug, warf dabei einen Blick auf Hambrock und hielt plötzlich inne.
    »Sorry«, sagte er. »Soll ich lieber nicht rauchen?«
    Hambrock lachte. Das machte in diesem Auto wirklich keinen Unterschied mehr.
    »Nein, nein. Rauch nur. Es stört mich nicht.«
    Keller hielt die Flamme an die Zigarette, inhalierte tief und steuerte den Wagen vom Hof.
    »Du hast recht behalten«, sagte er, als sie sich in den Stadtverkehr einfädelten. »Es war tatsächlich Nils, der seinen Bruder umgebracht hatte. Ich war ja skeptisch gewesen.«
    »Es war im Grunde nur ein Zufallstreffer. Sicher war ich mir da auch nicht. Es passte eben einfach alles, und ein anderer Täter blieb kaum übrig. Klaus Baar hätte Marius niemals getötet, davon war ich überzeugt. Ich dachte, wenn wir Nils im Beisein seiner Familie damit konfrontieren, wird er es nicht wagen zu lügen.«
    »Es war ihm wesentlich lieber, wir nehmen ihn uns vor, als dass sein Vater das macht.«
    Nach einer Weile tauchte das Landgericht vor ihnen auf. Der rote Backsteinbau ragte neben der Fahrbahn in den wolkigen Himmel. Der Prozess würde neu aufgerollt werden. Was immer dabei herauskommen würde, in einem würde Nils recht behalten: Er war erst dreizehn, sehr hoch würde die Haftstrafe nicht ausfallen, wenn er überhaupt eine bekommen würde.
    Nach dem Geständnis war Hambrock

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