Landleben
ausmacht, versteckt. Einschließlich», fuhr
sie fort, als Melancholie über sie kam, die stärker war als
ihre Nacktheit, und die Notwendigkeit entstand, die Stim-
mung aufzuhellen, «deiner wilden Geliebten», und stieß
ihn, nicht nur spielerisch, sondern heftig genug, dass es
ihm den Atem verschlug und wehtat, da, an der schutzlo-
sen Stelle unter dem Brustbein. Als sie den Schock in sei-
nem Gesicht sah, wandte sie seufzend den Blick ab. «Ich
hab so viele Ansprüche zu erfüllen – jede Frau muss das,
Owen –, dass es eine Erleichterung ist, zu wissen: Wenn
ich zu dir komme, ist es für einen bestimmten Zweck. Es
gibt nicht diese furchtbare Vagheit wie in der Ehe – wollen
wir oder lieber nicht, und wenn ja, sollten wir dann nicht
ins Bett gehen, bevor wir noch schläfriger werden. Bei dir
weiß ich wenigstens, dass du damit rechnest, dass du davon
geträumt hast, und ich habe eine Richtung. Manchmal, un-
ten auf der River Street, bevor ich dich hier besuche oder
danach, kann ich nicht aufhören zu lächeln, und es macht
mir Angst, dass jeder da draußen im Sonnenschein erraten
kann, dass ich gefickt worden bin oder bald gefickt wer-
de.»
«Geht es dir auch so, wenn du mit Ian geschlafen hast?»
«Angle nicht nach Komplimenten, Liebling. Das schickt
sich nicht. Ich hab dir doch gesagt, wir sind schläfrig.
Manchmal schläft einer von uns ein, bevor wir fertig sind,
so gelangweilt sind wir.»
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«Ian kann langweilig sein, in letzter Zeit», stellte Owen
mit einer Spur von Grausamkeit fest.
«Er ist langweilig», erklärte seine Frau, «weil er in allge-
meinen Reden wegerklären möchte, was er in Wirklichkeit
empfindet: sein p
ö
ers nliches Scheitern, seinen Verlust an
Kreativität.»
«Das Gefühl kenne ich», sagte Owen in einem Ton, der
besagte, dass sie für diesmal Schluss machen mussten.
Anderthalb Jahre lang machten sie heimlich weiter und
trauten kaum ihrem Glück. Ian und Phyllis schienen nichts
zu wissen. Zwar wusste es die Stadt – nicht nur ihr Freun-
deskreis, sondern auch die Fußgänger, die sie auf der Ri-
ver Street lächeln sahen, und die Frau an der Rezeption
des Motels am Highway nach Willimantic –, doch in einer
Kleinstadt spricht man über so etwas nicht. Eine Kleinstadt
ist gewoben aus Geheimnissen, aus Wahrheiten, die besser
unausgesprochen bleiben, mit Häusern, die weniger Fens-
ter als undurchsichtige Mauern haben. Alissa und Owen
hätten vielleicht noch länger weitergemacht – sie trafen
sich nie häufiger als einmal in der Woche und im Sommer
sogar noch seltener –, bis der Druck des Betrugs sie oder
ihn so sehr deformiert hätte, dass der andere ihn nicht
mehr hätte lieben können, aber Alissa wurde schwanger.
Ihr wehmütiges Gerede, dass sie in ihrer Naivität erwartet
hätte, ihr Menstruationsfluss erregte Bewunderung, war zu
einem panikartigen Warten darauf geworden, dass das Flie-
ßen erneut begann. Viele hastige
g
Telefon
h
espräc e bestä-
tigten, dass es nicht so war.
«Aber von wem ist es?» Das war die Frage, nachdem
ihre Periode drei Wochen überfällig war und sie morgens
mit Übelkeit erwachte. «Wer hat zu dem Zeitpunkt mit
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dir geschlafen?» Er schrie durch das öffentliche Telefon
am Highway und horchte angestrengt, den einen Finger
im Ohr, während Wolken von Salz und Sand aus dem ver-
gangenen Winter, von den vorbeirasenden Autos zu einem
feinen Staub zermahlen, ihm ins Gesicht flogen. Er sagte
«geschlafen» statt des für unter ihnen üblichen freimüti-
gen Worts, als könnte eine Telefonistin, die ins
e
tige Belau-
scherin des Kleinstadtlebens, zuhören.
«Keiner von euch», kam schwach die Antwort.
«O me n
i Gott. Du warst noch mit je a
m nd anders zusam-
men?»
«Nein, nein, du Dummer. Ich meine, ihr könntet es beide
sein – aber ich verstehe nicht, wie. Von der Pille hatte ich
immer so ein Völlegefühl, deshalb bin ich wieder zu der
Rhythmus-Methode übergegangen, die haben Ian und ich
jahrelang mit Erfolg angewandt, bevor er zuließ, dass ich
Norman bekam. Er sagte, er sei Künstler und Kinder seien
Geiseln des Glücks.»
«Dann bin ich es wohl», sagte Owen tapfer, «so toll, wie
wir gefickt haben.»
«Liebling, um ein Baby zu machen, braucht es nicht toll
zu sein. Wenn es so wäre, gäbe es keine Bevölkerungskri-
se.»
«Mir wäre es natürlich lieber, ich könnte glauben, dass
es Ian war. Aber ich dachte, du hättest gesagt, er sei
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