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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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ein
    Teilnehmen am Erhabenen. Als sie sich am nächsten Tag
    trafen, unter dem hohen Metalldach des Ausstellungs-
    gebäudes, nahmen sie sich von ihren Aufgaben frei und
    tranken zusammen Kaffee aus Styroporbechern, in einem
    Raum, der für Arbeiter und Aussteller abgeteilt war, wo man
    Spritzkuchen und Plunderteilchen mit exzessivem Kalori-
    engehalt gratis dazubekam. Beide wussten nicht wirklich
    etwas zu sagen, doch so, wie sie verlegen und verschlafen
    nach Worten tasteten, bezeugten sie, dass sie, obwohl sie
    sich nie wieder begegnen würden, einen Anfang gemacht,
    eine Annäherung an Bedeutsamkeit versucht hatten. Dar-
    an hing etwas, ein Fluidum, ein Geschmack – unabhängig
    von Kaffee und zuckrigem Gebäck – von träger animali-
    scher Behaglichkeit und von beidseitig erworbenem Wis-
    sen, eine hinuntergeschluckte Traurigkeit, wie sie Lieben-
    de, die eine Zukunft haben, kennen zu lernen vermeiden.
    Zwei Arten von Frauen existierten auf der Welt, ging Owen
    auf: diejenigen, mit denen man geschlafen hatte, und, in
    grausamem Missverhältnis dazu,

    doch in
    e
    ihr r Anzahl redu-
    zierbar, diejenigen, mit denen man nicht geschlafen hatte.
    One-Night-Stands hatten immer ihre untergründige,
    traurige Seite, aber hatte er je ein verrückteres, triumphie-
    renderes Glücksgefühl empfunden als mit Mirabella, die
    ihm einen blies, während er mit neunzig Meilen in der
    Stunde in die flache Wüste Nevadas brauste, direkt in den
    Sonnenaufgang hinein? In dem gemieteten tangerinroten
    Camaro war gerade ausreichend Platz, dass sie ihren Kopf
    zwischen das Steuerrad und seinen eingezogenen Bauch
    zwängen konnte. Die honigsüßen Gefühle in seinem in der

    296
    Nacht zuvor hart in Anspruch genommenen Schwanz ver-
    mischten sich mit seiner Vorstellung von dem, was ihre Ge-
    fühle in dem beengten Raum sein mochten, während die
    westwärts fahrenden Autos in dem morgendlichen Gleißen
    sichtbar wurden und, mit kombinierter Geschwindigkeit,
    vorbeischossen, sodass der Camaro erbebte und von dem
    Sog zur Mitte der Fahrbahn gezogen wurde. Der Highway
    war ein schmales Band, auf dem flimmernde Trugbilder
    von feuchten Pfützen erschienen, als die Sonne stieg und
    auf die Meilen lila-grauer Vegetation hinunterzubrennen
    begann; in der Ferne senkten Rinder grasend die Köpfe.
    Er wusste, ein Zucken des Steuerrads würde sie beide
    auslöschen, auch Mirabella wusste das, fuhr aber fort, ihm
    äußerst angenehme sinnliche Sensationen zu verschaffen,
    auch als sie ihren Kopf mit dem gebleichten, toupierten
    Haar drehte und ihn auf seinen nackten Unterleib küsste,
    wobei sein Button-down-Hemd verknautscht nach oben
    rutschte. Ihr Lockenhelm fühlte sich unter seinen liebko-
    senden Fingern steif und klebrig an, von zu viel Haarspray.
    Er warf einen Blick nach unten und sah, dass ein Sonnen-
    strahl ihr Haar zerteilte, sodass die schuppige rosa Kopf-
    haut zu sehen war, die wehrlose Epidermis, Haut auf Kno-
    chen, und er musste sich zusammennehmen, dass er bei
    dem unterdrückten Schock
    es
    dies
    Anblicks seine Erektion
    nicht verlor.
    Diese Konferenz fand in Las Vegas statt, in einem der
    riesigen Luxushotels – war es das Sands? oder das Star-
    dust? –, die seither abgerissen worden waren, um noch grö-
    ßeren Kästen Platz zu machen. Ihr Haar war gefärbt, platin-
    blond, mit Ausnahme des ersten Zentimeters naturbrauner
    Haarwurzeln. Die Ohrläppchen hatten je zwei Löcher für
    zwei kleine Ohrstecker- in jenen Tagen eine fortgeschrit-

    297
    tene Art der Selbstverstümmelung. Er hatte sie in ihren
    chamoisfarbenen Hotpants und ihren grünen Netzstrümp-
    fen für eine der Prostituierten gehalten, aber sie überrasch-
    te ihn, weil sie seinen Namen wusste und sagte: «Sie ha-
    ben DigitEyes erfunden. Mein Vater war Bauingenieur in
    Fresno, und immer wenn ich in seinem Büro war, durfte ich
    mit den Sachen auf dem Bildschirm spielen. Sie drehten
    sich im Raum und blieben trotzdem zusammen, und die
    Raummaße wurden von diesen, wie soll ich sagen, Drähten
    beschrieben, alles

    mit ein paa
    r wenigen Befehlen uf
    a
    dem
    Keybord – es war magisch.»
    «Ein ausgeklügeltes Artefakt der Vergangenheit, fürchte
    ich», sagte Owen zu ihr. «Wie der Apfel entkerner und die
    Tretnähmaschine.» Er musste schon einiges getrunken ha-
    ben; er war an einer Podiumsdiskussion beteiligt gewesen,
    und bei dem anschließenden Empfang gingen Mädchen,
    Hotelangestellte, m
    it Champagner in Plastikgläsern zwi-
    schen den Besuchern

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