Landleben
Elektronikbranche, willkommen zu heißen.
Owen entdeckte Antoinette an dem Stand von Cray
Research, einer neuen Gesellschaft für Hochleistungs-
computer mit Sitz in Chippewa Falls, Wisconsin. Sie hatte
schwarzes Haar, das aussah, als wäre es mit einer Kinder-
plastikschere eilig geschnitten worden, und verbreitete
eine elektrische Aura des Grolls, die Gutes verhieß. Bei
dem feuchtfröhlichen Empfang der neu ins Leben geru-
fenen Association of Electronic Industries der Stadt mach-
te er einen Annäherungsversuch. Sehr schnell, so schien
es ihm, vertraute sie ihm in einer Tirade ihren Groll ge-
gen einen Kollegen an, der in der Hierarchie etwas über
ihr stand und ein «Arschloch» sei, dessen «Scheiß» sie
sich nicht länger bieten lassen wolle. Ihre Wortwahl ließ
den empfindlichen Owen zusammenzucken, ließ jedoch
auf Intimitäten hoffen. Er mäßigte seinen Widerwillen
und sagte sich, dass dies eine leidenschaftliche Frau war,
die wie er in einer Kleinstadt mit Falls im Namen lebte,
und dass sie im Herzen dieses großartigen, freien Landes
einander in die Arme getrieben wurden. Nach dem Emp-
fang fuhren sie mit dem Taxi zu einem viel gepriesenen
Steak House. Sie erzählte ihre Geschichte weiter: «Dieser
arrogante, von sich selbst überzogene Scheißer, Eric heißt
er – und du kannst einfach darauf wetten, dass einer, der
Eric heißt, von sich selbst überzeugt ist-, hat mir dauernd
seinen Scheiß zugeschoben, auf so subtile Art, dass keiner
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ihm einen Vorwurf daraus machen konnte, aber ich hab’s
genau gemerkt, und er hat immer so höflichen Stuss gere-
det wie ‹Ich überlass das dir›, oder ‹Sei doch bitte so lieb›,
und bla-bla-bla, und am Ende musste ich buchstäblich die
ganze Nacht den Maschinencode durchgehen und jede
einzelne Zahl mit einem Master vergleichen, über zwanzig
Seiten in Punktraster, und fast keine Tinte auf dem Band,
ein Wunder, dass ich dabei nicht blind geworden bin. Und
dann, am Morgen, weißt du, was der Mistkerl gemacht
hat?»
«Nein. Was denn?», sagte Owen, in der Hand sein zwei-
tes Bier, von dem er hoffte, dass es die beiden starken
Bourbons vom Empfang verdünnte, falls er später noch
eine Leistung bringen musste. Er lernte, sich in diesen
Dingen zu mäßigen, nach dem Prinzip der aufgeschobenen
Befriedigung.
«Er hat gesagt: ‹Danke, danke, Antoinette› – das war al-
les, was dieses Miststück gesagt hat, und dann nimmt er
den Ausdruck, den ich korrigiert hatte, Zahl für Zahl, und
alle eventuellen Fehler eingeringelt, was meinen Augen
den Rest gegeben hat, ich muss mir eine neue Brille ver-
schreiben lassen, und ich wette, das war der Grund. Und
dann hatte er den Nerv zu sagen: ‹Danke›, und: ‹Sehr lieb
von dir›, nichts weiter, und legt den Ausdruck auf die ande-
ren Sachen auf seinem Tisch, als war’s eine Winzigkeit, in
fünf i
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nut n erledigt, obwohl der Scheißer genau wusste,
dass ich die ganze Nacht daran gesessen hatte.»
«Das ist ja wirklich gemein», sagte Owen. Sein Gehirn
fühlte sich allmählich wie aufgedunsen an, was ihn der
Sc
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huldg fühle enthob und der Sorge, dass Phyllis ihn im
Hotel anrief.
«Und gleichzeitig zieht er andauernd diese Chauvi-Ma-
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sche ab, schwafelt daher, was für einen phantastischen IQ
ich haben muss, weil ich so viel schneller als er Redundan-
zen und unerwünschte Speicherinhalte entdecke, und dass
ich eigentlich seinen Job haben müsste – kannst du dir das
vorstellen, er hatte den Nerv zuzugeben, dass ich seinen
Job haben müsste? –, wenn es so was wie gleiche Chancen
für alle gäbe. Er ist einer von diesen Typen, die denken,
wenn sie sich ordentlich feministisch geben, dann lässt du
sie in dein Höschen. So ein A s
r ch, also wirklich. So ein ein-
gebildeter Schleimscheißer.»
«Meine Frau hat viel auf dem Kasten», sagte Owen
schüchtern. «Oder früher wenigstens.»
Antoinette hörte ihm nicht zu. Sie redete immer weiter
von Eric, dass er sich fürs Büro so wahnsinnig lässig und
jungenhaft kleidete, aber alle halbe Stunde den Kamm
aus der Tasche zog, er hatte welliges rötliches Haar, auf
das er mächtig stolz war, und dass er diese breiten Gürtel
trug, mît Cowboy-Schnallen, damit er zeigen konnte, was
für einen flachen Bauch er hatte – er joggte fünf Meilen
am Tag und trank nur Mineralwasser und Weißwein, um
schlank zu bleiben, wie eine Frau. Sie vermutete, dass er
in Wirklichkeit schwul sei.
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