Landleben
unbenutzten
Teil der Fabrik durchqueren (der Leerstand erinnerte dar-
an, dass das Unternehmen seit einiger Zeit stagnierte und
DigitEyes 2.2 auf dem zunehmend von Grafik-Program-
men überschwemmten Markt praktisch gescheitert war)
und an die grau gemalte Metalltür klopfen, die Owen von
innen verschlossen hielt. Als Karen das erste Mal eingelas-
sen wurde, war sie überrascht von der fast häuslichen Ge-
mütlichkeit, die Owen in dem kleinen Raum geschaffen
hatte: der kleine Perserteppich, die Kork-Pinnwand, wo
Owen Notizen und Familienfotos mit Reißzwecken befes-
tigt hatte, die von Winkelstützen getragenen Regalbretter,
auf denen Kataloge und Computer-Handbücher standen,
die Leuchtstoff-Deckenbeleuchtung, die von Stehlampen
und Lampions aus Reispapier ergänzt wurde, die vielfäl-
tig verstellbaren Büromöbel aus gepresstem Plastik, dazu
ein mit Kord bezogener Lehnstuhl und das Kunstleder-
sofa, auf dem eine gestreifte Decke und mehrere dicke
Kissen lagen, die CRT-Bildschirme, die auf separaten Ti-
schen standen, aber verbunden durch eine bunte Girlande
vieladrigen isolierten Drahts. In die Augen der jungen Frau
trat ein Schimmer; sie sah den Raum als das, was er war,
ein Fickzimmer, ein Zimmer für binäre Phantasien. Tat-
sächlich musste sie es bereits geahnt haben, auch ohne den
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deutlichen Hinweis, dass er einige Male auf ihr Klopfen
hin nicht geöffnet hatte und auf beiden Seiten der gepols-
terten Stahltür der Atem angehalten worden war.
Sie stand da wie eine Erscheinung; sie hatte Zutritt zu
seinem Traumleben gefunden. Sie übergab ihm Eds Unter-
lagen und floh, zurück durch den leeren Raum der Fabrik.
Doch dann kam ein Tag, wie ihn beide wohl vorausgeahnt
hatten: Nachdem sich die dicke Tür hinter ihr mit einem
trockenen Klicken geschlossen hatte, überreichte sie ihm,
neben den Geschäftspapieren, eine zusätzliche Botschaft,
ein zusammengedrücktes warmes Bündel, ihren Nylonslip.
Karen stand da, mit versonnenem Blick, und hob den Rock,
um ihm zu zeigen, dass ihre Unterhose in seiner Hand war.
«Wir haben nicht viel Zeit», sagte sie, und ihre Stimme
klang do p
p elt ängst ilch – dass man ihr Fernbleiben vom
Arbeitsplatz bemerkte und dass er sie zurückwies.
Sie war klein, mit kantigen Zügen, hatte üppiges, drah-
tiges Haar und sah besorgt aus und schlecht ernährt. Sie
war eine von den Tausenden junger Leute, die sich tagaus,
tagein dem kränklichen Licht der Kathodenstrahlröhren
aussetzten. Sie rührte Owens Herz. «Dann wollen wir sie
nicht verschwenden», sagte er willig.
Sie zog den grauen Flanellrock aus und die schmalen
Mokassins, behielt aber die weißen Söckchen und ihre
perlenrosa Seidenbluse an. Falls er sie küsste, dann war es
hinterher. Als sie sorgfältig ihre Brille absetzte, kniff sie die
Augen zusammen, und über ihrem spitzen Kinn wurden
ihre Lippen von andauernder Anspannung dünn. Sie sag-
te: «He, guck dir das an», als sie sah, wie bereit er schon
für sie war, nachdem er die Jeans schnell abgestreift hatte;
doch dann war sie, ohne Vorspiel, überraschend glitschig.
Sie musste die steigende sexuelle Erregung mitgebracht
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haben, als sie über den geschwärzten alten Fußboden mit
seinem Muster von Bolzennarben und abgenutzten glän-
zenden Nagelköpfen gelaufen war, die Unterhose in der
Hand. Oder hatte sie sie direkt vor seiner Tür, einem spon-
tanen Einfall folgend, ausgezogen? Was war das für eine
tapfere Generation, die sich binnen eines Jahrzehnts von
jahrhundertelangen Verklemmungen befreit hatte.
«Warum willst du das?», fragte er sie in einem atemlosen
Moment, den er einem ihrer Zusammenkünfte raubte.
Unter ihm, auf das Sofa gedrückt, die Schenkel gespreizt
und um seine Hüften geschlungen, hatte sie keine Angst,
taktlos zu erscheinen. «Mit Jungen der eigenen Genera-
tion», erklärte sie, «muss man so viel verhandeln. All das
Zeug wegen Kinderkriegen und dann der langweilige
Scheiß, ob man sich bindet. Du fühlst dich von deiner Zu-
kunft gefangen und von dem, was du damit anfängst. Mit
dir gibt’s keine Zukunft. Da gibt’s nur dies hier. Nur bim-
bam, und nicht mal danke, Ma’am.»
«Du bist wunderbar», fing er an.
«Genug davon, Mr. Mackenzie. Ich bin nicht wunderbar.
Ich bin funktional, und ich bin nicht ganz hässlich, aber das
ist auch alles. Seien wir doch hrlich:
e
Für dich bin ich ein
Weiberarsch.»
«Und ich, was bin ich für dich?»
Karen
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