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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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wie Alissa einen Satz zurück gemacht hatte,
    als hätte sie sich verbrüht, und sagte: O nein, so nicht, und
    sich dann wunderbar ergeben hatte. Er sagte: «Sprechen
    wir über etwas anderes. Was denkst du über den Typen in
    Kalifornien, der nach einer Geschlechtsumwandlung jetzt
    beim Frauentennis mitmachen möchte?»
    «Na ja», sagte Trish vorsic t
    h ig, «ungewöhnlich ist es
    schon.»
    Sie war nicht sehr intelligent, auch nicht sehr schön. War-

    319
    um pirschte er sich an sie heran, machte Konversation mit
    ihr, riskierte Peinlichkeiten, alles im Dienst eines seltsa-
    men Traums, nach dem er diese naive Frau, wie ein leben-
    des Reh, das er sich über die Schulter geworfen hatte, zu
    Vanessa bringen wollte? Sie könnten beide an entgegenge-
    setzten Enden anfangen zu knabbern und sich in der Mitte
    treffen. Die beiden Frauen würden ihn anbeten, sich um
    ihn reißen, sich in sklavischer Ergebenheit übertreffen.
    «Bei ungewöhnlich fällt mir ein», fuhr er fort, «ich habe ge-
    lesen, dass es in einem Hochsicherheitsgefängnis in Iowa
    eine Frau als Wärterin gibt.»
    «Und warum nicht?», fragte Trish mit einem Funken
    Kampfeslust, der die dunkle Veranda der Bisbees erhellte.
    Er machte erneut einen Rückzieher. «Ich weiß nicht
    recht, und dann all diese Geschlechtsumwandlungsopera-
    tionen. Man fragt sich, was ist eigentlich eine Frau?»
    «Ja», sagte sie. Es war, als kröchen sie beide unter einem
    Tisch herum und suchten nach etwas Verlorenem – einem
    Ohrring, einer Kontaktlinse – und hätten es gerade gefun-
    den. «Selbst wenn du eine bist», sagte sie zu ihm, «fragst
    du dich das.»
    Der Sprung in der Teetasse musste mit Sex zu tun ha-
    ben, mit Sex und dem schlaksigen, törichten Dwight mit
    seinen flapsigen Kängurufüßen und seinem grässlichen
    weibischen Gelächter. «Manchmal», wagte Owen sich vor,
    «muss es euch wütend machen. Die Frauen werden wüten-
    der. Sieh dir Patty Hearst an, erst Daddys L b
    ie
    ,
    ling dann
    Revolverbraut.»
    «Das war Gehirnwäsche», sagte Trish heftig und mach-
    te einen ihrer erratischen schnellen Sprünge. «Man hat sie
    gekidnappt und einer Gehirnwäsche unterzogen, und jetzt
    wird sie gejagt. Und dann sagen sie, Frauen hätten die glei-

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    chen Rechte.» Sie war gerade so viel jünger als Owen, dass
    der Feminismus schon in sie eingepflanzt war; Frauen in
    Owens Alter hatten ihn jede für sich erfinden müssen, jede
    nach persönlichem Stil.
    Sein Hunger nach dieser Eroberung ließ nach. Er moch-
    te Frauen nicht, die politisch stachelig waren; er mochte
    Frauen, die ironisch und distanziert waren und sich ganz
    dem rein Persönlichen widmeten – das Privileg der freien
    Welt. Er fragte sie: «Weißt du, was mir in diesem Jahr bis-
    her am besten gefallen hat?» Er dachte an die Raumsonde
    Viking, die auf dem Mars gelandet war, der, nachdem man
    ein Jahrhundert lang von Wasseradern da a
    r
    e
    ufger det hatte,
    trockener wirkte als Arizona.
    «Dass Evil Knievel nicht gesprungen ist», erwiderte
    Trish überraschend prompt, als hätte sie über seine Gedan-
    kengänge etwas nachgedacht. Ihre feindselige Kantigkeit
    ließ hoffen; er fing an, sie von innen her zu bearbeiten.
    Er sah aus dreißig Zentimetern Entfernung, wie ihr Ge-
    sicht im Bett, auf einem Kissen aussähe; die Erkenntnis
    ermüdete ihn ein wenig, weil es so anstrengend war, auf
    verschiedenen Ebenen zu leben. Sie sähe ihn bockig an,
    begierig, ihm den Preis für ihren Wagemut zu entlocken,
    für das Risiko,

    das sie

    eingegangen waren.
    «Warum sollte mir das gefallen?»
    «Du magst Fehlschläge. Unglück liebt Gesellschaft», er-
    klärte Trish, und nachdem sie ihn, ganz unerwartet, auf die
    Brust getippt hatte, schwebte sie davon, aus der novemb-
    rigen Kühle der Veranda in das helle, warme, von mensch-
    lichem Geplauder erfüllte Wo nzi
    h
    mer
    m
    .

    Seine private Mönchszelle bei E-O, mit ihrem schmutzi-
    gen hoch gelegenen Fenster und den sorgfältig abgestimm-

    321
    ten Besuchen von außen, war in letzter Zeit von innen
    her, aus der Fabrik, besetzt worden. Eine Assistentin im
    Programmierbereich, Karen Jazinsky, seit einem Jahr oder
    so eingestellt, hatte hin und wieder Unterlagen von Eds
    Ende des Unternehmens zu ihm gebracht – Ausdrucke von
    Maschinencodes, die Probleme enthielten, Verträge, die
    Owen abzeichnen musste, Artikel aus Computing Tomorrow, in denen Passagen mit gelbem Marker hervorgehoben waren. Karen musste im Obergeschoss einen

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