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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Bedingungen, die Halloran Davis abrin-
    gen würde – als vielmehr von der Leidenschaft für ihn,
    die sie zu spät gezeigt hatte. Oder war es eher eine Lei-
    denschaft für ihr altes, sorglos heiteres und reizendes Ich,
    das in der Erinnerung zu bewahren ihm nun oblag, da ihre
    Eltern nicht mehr lebten, um es zu bezeugen? Nicht dass
    ihre Eltern oder ihr jüngerer Bruder hätten sehen können,
    was ihre Zeitgenossen sahen – diesen aufblitzenden, be-
    frachteten Eindruck, den wir auf diejenigen machen, mit
    denen wir uns paaren könnten. Ihre Leidenschaft war, wie
    er es empfand, nicht auf ihn gerichtet gewesen. Verletzter
    Stolz, bedrohte Sicherheit, Ängste um die Kinder hatten
    sie aktiviert. Die alte Frage blieb weiterhin ungelöst: War-
    um ließen Frauen sich mit Männern ein? Vielleicht war es
    eine schlichte Frage der Elektrotechnik: In einer Welt, wo
    es so viele Stecker gab, musste die Natur auch Steckdosen
    bereithalten.

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    Es klopfte an seiner verschlossenen Tür, lauter, als Ka-
    ren jemals geklopft hatte. Owen rief: «Geh weg, Karen, es
    ist vorbei.»
    Aber eine männliche Stimme sagte: «Ich bin’s, O. – Ed.
    Mach auf. Wir haben ein Problem.»
    Ed sah nicht nur erschrocken, er sah verängstigt aus,
    als die klemmende graue Stahltür den Blick auf ihn in ei-
    nem zerknautschten Geschäftsanzug freigab, das wulstige
    Fleisch so farblos wie bei einer Schnecke. Er atmete, als
    wäre er vergiftet worden. «Ein Anruf für dich, hier in der
    Firma. Die Polizei. In deinem Haus ist keiner an den Ap-
    parat gegangen, und in deiner neuen Bude auch nicht. Ich
    hab gesagt, ich glaubte nicht, dass du hier bist, aber du bist
    hier, du Miststück. Gehen wir. Am besten, wir gehen zu-
    sammen.»
    «Wohin, Ed?»
    «Upper Falls. Old County Road. Sie fuhr in Richtung
    Hartford.»
    «Wer sie?» Aber er wusste es.
    Ed nickte und ging voraus, durch die Tür, die über die
    Treppe zur Straße hinunterführte, die Geheimtreppe, die
    jetzt unter Eds schweren Füßen donnerte.
    «Was ist passiert? Wie schlimm ist es?», fragte Owen und
    schluckte heftig, in seinen Handflächen und Armen war ein
    Kribbeln, sein Körper begehrte auf gegen diese neuen Um-
    stände. Diesmal konnte er nicht einfach die Augen schlie-
    ßen, sich umdrehen und weiterschlafen. Seine Mutter und
    sein Vater waren nicht im Zimmer nebenan.
    Ed hastete voraus und schüttelte den Kopf, als wäre die
    Frage eine surrende Biene oder Bremse an seinem Ohr.
    «Sie haben nichts gesagt. Du weißt, wie Polizisten sind,
    sie verstecken ihre Dummheit, indem sie gar nichts sa-

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    gen. Ein Unfall, haben sie gesagt, und sie wollen, dass du
    kommst.»
    Sie kamen bei Eds Auto an, einem neuen bronzefarbe-
    nen Mercedes, der in seiner nummerierten Bucht auf dem
    asphaltierten Parkplatz der Fabrik stand. Ed hatte immer
    die Rolle des Firmenchefs gespielt; er hatte eine klare Vor-
    stellung von Lohn und Verantwortung. Owen hatte das al-
    les nach Möglichkeit gemieden – er war seine rote Corvette
    gefahren, wie ein Jugendlicher. Das Innere des Mercedes
    roch allerdings nach Pizza und Mitnahmegerichten mit viel
    Zwiebeln, vermischt
    i
    m t dem Geruch von neuem Leder
    und Klebstoff.
    Owens Gesicht fühlte sich heiß an, als blickte er in ei-
    nen Ofen. Er sagte: «Ich habe sie erst vor zwanzig Minuten
    gesehen. Sie hatte einen Termin in Hartford; sie war spät
    dran.»
    «Mit diesem irischen Anwalt?»
    Ed wusste, dass der Anwalt Ire war. Phyllis hatte Ed al-
    les erzählt, oder fast alles, und Owen konnte es ihr nicht
    verdenken. «Ja.» Ed war loyal, Ed war groß. Phyllis’ Hän-
    de waren auseinander geflogen, als sie ihren verlorenen
    Freund Hank als «enorm» beschrieb. Owen war nicht ganz
    groß genug gewesen.
    Ed sagte: «Sie konnte den Kerl nicht ausstehen. Einer
    von diesen irischen Schnellsprechern. Sie hatte das Gefühl,
    er wollte sie über den Tisch ziehen. Alle Iren sind Chau-
    vis.» Er fuhr schnell, aber vorsichtig; das schiere Gewicht
    des Wagens machte es zu einer ruhigen Fahrt, vier Meilen
    in weniger als zehn Minuten. Überall auf der kurvigen Ne-
    benstraße, einer Abkürzung nach Hartford für diejenigen,
    die sie kannten, lag der Matsch des feuchten Laubs, das der
    Regen der vergangenen Nacht von den Bäumen gerissen

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    hatte. Das sich kreisende Blaulicht mehrerer Polizeiwagen
    war weit vor ihnen zu sehen; ein junger Polizist, der den
    Verkehr über die noch freie Spur leitete, winkte sie durch,
    doch Ed sprach mit ihm, ohne dass Owen ihn

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