Landleben
Verhältnis mit Julia, der kompakten, so-
liden, entschlossenen Julia, die überraschend sexy ist, aber
er verliert sie immer wieder, es ist einfach zu schwierig,
die heikle heimliche Verbindung aufrechtzuerhalten – die
hastigen, atemlosen Telefongespräche, die von Panik be-
stimmten Zusammenkünfte da, wo die Ränder seiner Stadt
mit denen einer anderen verschmelzen –, und es vergehen
Wochen, in seinem Traum, ohne dass eine Verbindung
zustande käme, und das Objekt seiner Liebe sinkt tiefer
und immer tiefer unter die Oberfläche des Alltäglichen,
das respektable dichte Gewebe seines Lebens als Bürger,
als Unternehmer und als Vater, und jenes Verhältnis, das in
einem Sommerwetterleuchten der Leidenschaft und des gegenseitigen Entdeckens entstanden war, kühlt sich zu
nichts ab, wie eine Ferienfreundschaft zwischen Kindern,
die sich auflöst, sobald die Ferien vorbei sind. Julia, zu der
Tage hintereinander keine Verbindung bestand, schwindet,
wird immer kleiner und fallt durch das Netz, geht verloren
in der unfruchtbaren Geschäftigkeit des «normalen», er-
laubten Lebens. Panische Angst weckt ihn; Owen erwacht
mit einem Gefühl des Verlusts und der Verwirrung, bis
ihm langsam dämmert – so wie er die Tapete wahrnimmt
und das erbarmungslose Sonnenlicht der Küste, das schon
durch den Spalt unter der Jalousie brennt –, dass es Phyl-
lis ist, die verloren ist, versunken unter der Oberfläche der
Dinge, und dass er und Julia, längst ordentlich verheiratet,
seit über zwanzig Jahren zusammen in Haskells Crossing,
Massachusetts, leben.
Zu den Stützpunkten in Middle Falls hatte der Strand aus
herbeigeschafftem Sand am Heron Pond gehört. Hierher
kamen im Sommer die jungen Mütter aus Owens Bekannt-
schaft, die sich der Mitte ihres, der Bibel nach, siebzig Jahre
währenden Erdenlebens näherten, die aber in seinen Au-
gen immer noch reizend waren; sie kamen mit ihren Kin-
dern, die sich in der Mitte des Tages eine Stunde lang un-
bekümmert vergnügten, einen schnellen Imbiss kriegten
und dann nach Hause zu einem Mittagsschlaf. Manchmal
am schattigen Nachmittag erschienen sie wieder, wenn die
Zeit langsam weiterkroch, auf das Abendessen der Kinder
nach fünf Uhr zu. Mit ihren zwölf und zehneinhalb Jahren
waren Gregory und Iris zu groß für das lauwarme braune
Wasser und den Seilball, der an einem wackligen Pfosten
in der Mitte eines staubigen Kreises angebunden war, für
die Picknicktische und –bänke mit den eingeritzten Ini- tialen, die grün angemalten, mit der Aufschrift ABFALL
versehenen Öltonnen, die verrostete Aluminium-Wasser-
rutsche dicht am Ufer und den Lebensretterstuhl, auf dem
immer noch die Tochter des Schuldirektors saß, mit ihrem
glatten Haar und dem mahagonibraunen Körper, wenn sie
nun auch kein Teenager mehr war. Ihre Fülligkeit war noch
kompakter geworden, sogar bedrohlich, auf der Oberlippe
zeigte sich ein Hauch von einem Schnurrbart, weiß von
der Zinkoxidsalbe, und ihre dicken Beine waren deutlich
sichtbar behaart, was vermutlich eine politische Aussage
sein sollte. Unter den jungen Leuten war Haar zu einem
Emblem geworden: Es spross in Achselhöhlen, verdeckte
die Ohren der Jungen. Gregory wurde ein moppköpfiger
Miniatur-Beatle und wehrte sich gegen das Haareschnei-
den, als wäre es ein Angriff, eine Impfung, die wehtat. Der
kleine Floyd, jetzt in der zweiten Klasse, und Eve waren
noch gefügige Besucher des Teiches: Wenn Owen sie in
seiner Mittagspause mit der roten Corvette Stingray be-
suchte, von 1968 an in seinen Augen das Auto, das er sich
schuldig war, und die beiden und ihre Mutter dort antraf,
war es wie eine frische Entdeckung. Er mochte es, wenn er
seine Frau im Badeanzug sah – einem weißen Bikini, der
sich von ihrer blassen, rötlichen Bräunung absetzte. So, fast
nackt und dennoch vornehm, war sie die Phyllis, die er sich
erhofft hatte, und der ganze verschlafene, schäbige Strand
am Teich beschwor ein verlorenes Paradies mit seinen
braunbeinigen wilden Mädchen. Die Mütter breiteten De-
cken auf dem Gras aus und picknickten mit ihren Kindern,
während Alissa Morrissey ihre üblichen Witze über die in
Marshmallow lauernden Kaloriengefahren machte. Weil sie
klein war, machte sich jedes zusätzliche Pfund bemerkbar,
aber sie hatte etwas Ängstliches, Nervöses und Unentschie-denes, das an ihr zehrte und ihre Pummeligkeit im Zaum
hielt. Ian, ihr Mann, wurde zunehmend schwieriger, hieß
es. Gegen den Trend der Zeit, der langes glattes Haar
Weitere Kostenlose Bücher