Landluft für Anfänger 01: Großstadtmädchen haben's schwer
soll sich bloß nicht so haben!
»Ich habe eben auch Termine.« Ha, lässige Antwort! Frau Blum-Neufeldt ist doch zu etwas nütze! »Sonst schreib mir halt `ne Mail.« Ach nee, Scheiße, die Adresse gilt ja auch nicht …
Reißt die mir WIEDER die Karte weg und kritzelt so ´ne gmx-Adresse drauf.
»Du arbeitest da aber schon noch? Bei … äh … PINK« (wie sonst hätte dieses … äh, was ist das eigentlich, ah … Magazin (!) heißen sollen).
»Klar, wieso? Bist du blöd? Wir haben gerade Schwierigkeiten mit der Telefon- und Internetanlage. Und wir wollen die Sache ja schnell klären, nehme ich an. Ich behalte das Haus auf jeden Fall.«
»Okay. Dann zahl mich aus. 140 000. Ich schick dir meine Kontodaten.«
140 000? Schluck! 140 könnte ich ihr anbieten. Doch Gott scheint ein Einsehen zu haben, denn von irgendwoher tönt eine raue Stimme: »Das Haus wird nicht verkauft! Und jetzt bringt gefälligst meinen Kahn wieder hier rüber!« Nee, das ist nicht Gott, am anderen Flussufer steht eine alte Frau.
Ah, Martha. Die muss gute Ohren für ihr Alter haben, wenn sie unser Gespräch von dort aus mitbekommt … Na, umso besser, dann kann ich den Verkauf auch gleich mit ihr besprechen. »Hallo Martha … Warte, ich komme dich holen.«
Das ist also die Freundin von Oma Hedwig. Ganz schön herrschaftlich, wie die Alte da in dem Kahn sitzt und sich von Iris kutschieren lässt. Geschieht Iris recht, dass sie jetzt die Chauffeuse geben muss! Ich wüsste nur zu gern, womit sie die arme Alte zutextet. Redet auf die ein wie ein Maschinengewehr! Oops. Iris Worte scheinen die Alte auf jeden Fall ziemlich wütend zu machen, springt die mitten in der Fahrt auf, bringt damit den Kahn zum Wackeln und herrscht Iris an! Ruhig, aber mit lauter, gut hörbarer Stimme. Ob Iris drüben all ihren Anstand verloren habe? Drüben? Die meint doch nicht etwa … den Westen?
»Solche Albernheiten kannst du dir sparen, Mädchen! (Mädchen, hihi!) Ist das zu glauben. Kommt hier nach einer halben Ewigkeit wieder an und will mich aus meinem eigenen Haus werfen.« Ich fasse es nicht, hat Iris etwa versucht, der Alten eine Abfindung anzudrehen, damit die aus der Remise auszieht? Iris ist zumindest ganz stumm geworden und stochert mit dem Stecken im Wasser rum. Aua, jetzt wirft die Alte mir das Seil vor die Füße und streckt mir ihre Hand entgegen, damit ich ihr aussteigen helfe. Die hat Hände wie Schmirgelpapier. Und wie die mich von oben bis unten mustert. »Ich nehme an, du bist die kleine Mia.« Klein?! Ich nicke trotzdem. »Wasch dir die Hände. Wir essen in einer halben Stunde!«
Kurz darauf, in Marthas Küche
Die ist ja schlimmer als die Vorsteherin des bayerischen Hortes, in den mich meine Mutter als Kind abgeschoben hat!! Hat blöd auf meine Fingernägel geglotzt und gesagt, ich soll mir erst mal die Hände waschen. Okay, der Nagellack könnte mal wieder neu, aber das heißt ja wohl nicht, dass ich nicht fähig bin, hygienische Standards einzuhalten! Gut, hier scheint zwar alles tipptopp gewienert zu sein, aber das ist doch das reinste DDR-Museum! Würde jetzt echt lieber mit Torben irgendwo in einer Dorfkneipe sitzen als hier mit meiner verhassten Halbschwester in einer alten Oma-Küche. Wie zwei angezählte Boxer lauern wir in unseren Ecken, funkeln uns ab und an böse über die blank gewienerte Holzplatte hinweg an und – unglaublich, aber wahr – schälen Gemüse! Außer dem Ticken der Küchenuhr und dem mehr oder weniger gleichmäßigen Schaben der Schäler ist nichts zu hören. Ich habe auch NICHT vor, das zu ändern. Ich habe der nichts mehr zu sagen.
Ist das zu fassen, dass ich mich unter Marthas eisernem Blick gleich wieder wie das sechzehnjährige Ostmädchen fühle? Lasse mich in die Küche komplimentieren, als wäre ich ein ungezogener Backfisch und nicht eine gestandene Frau! Und das vor Mia. Jetzt sitze ich hier, in dieser Küche, die tatsächlich so aussieht, als hätte es den Mauerfall nie gegeben. Und schäle brav Gurken, die Martha vor mich auf den Tisch geknallt hat. Die Kleene hat aber auch ihr Fett weggekriegt. Wie hält die überhaupt den Schäler? Ist sie Linkshänderin oder hat sie seit Jahren keine Kartoffel mehr gesehen?
Außerdem: Von selbst kochen war vorhin nicht die Rede! Sind wir etwa ihre Küchensklaven? Oh je, da kommt der Drache wieder …
Was legt die denn jetzt wortlos so einen Zettel hin. Ist das in Sütterlin geschrieben? Wer soll das denn lesen??? Hey!
»Hey! Ich hatte das Papier zuerst in
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