Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
Jahrhundert, eigentlich malerische Winkel, Torbögen, Durchgänge - aber das meiste ist leider grau. Tendenz: potthässlich.
Doch der Ort wacht auf. Es gibt drei Frisörinnen und drei Bars mit garantiert laufendem Fernseher. Eine immer überfüllte Post und eine Bankfiliale, die vier Stunden in der Woche öffnet. Zwei Mechaniker, von denen einer, 72 Jahre alt, klein und drahtig, gerne Rennrad fährt und der einzige Mensch im Dorf ist, der nach Indien reist und im Winter in den Dolomiten als Skilehrer arbeitet. Einen Metzger, der das beste Huhn der Toskana verkauft und zwei kleine Lebensmittelläden. Eine Apotheke und einen Zeitungs- und Tabakladen, allerdings, mangels Nachfrage, ohne internationale Presse. Einen Bäcker, der das leckerste gesalzene Brot backt, aber konsequent nur fünf Laibe davon knetet, so dass man nach 8.30 Uhr sehr viel Glück haben muss, eines davon haben zu dürfen. Einen Haushaltswarenladen, der von Farben bis zur Küchenwaage alles verkauft. Und donnerstags einen Markt mit einem Obst- und Gemüsestand und einem Stand für Strümpfe, Unterwäsche und T-Shirts. Nicht zu vergessen zwei Restaurants. Ein Neapolitaner spezialisiert auf Pizza, was sonst, und ein ambitionierter Koch, der gerne frischen Fisch serviert.
Und es gibt Camillo. Steht er nicht auf dem Tennisplatz oder frequentiert die Dorflädchen für ein Pläuschchen, baut er Gemüse als Großbauer an, ohne je etwas von der Ernte zu verkaufen. Von Mai bis Oktober, von morgens bis abends, putzt, schält und brät er mit seiner Frau Tomaten, Paprika, Auberginen, Artischocken - und eben auch Zucchini – um sie dann unter Öl in Gläser zu füllen.
In ihrem Haus sind ab August im Flur, in Schlaf-, Gäste- und Wohnzimmer an allen Wänden Umzugskartons bis zur Decke gestapelt, voll mit gefüllten Einmachgläsern, die auf den Transport in den Norden Italiens warten, um an Freunde und Verwandte verschenkt zu werden.
Dieses Stilleben mit zwei glücklichen Menschen ist sehenswert.
Jahr für Jahr füllen sie 100 große Kartons.
Und dann sind da eben noch wir als ideale Opfertypen, die es sich mit den lieben Nachbarn nicht verderben möchten. Aber andererseits auch sehr dankbar sind, jeden Morgen frisches Gemüse auf der Terrasse zu finden - vor allem wenn Zucchiniblüten mit im Korb sind.
Die sind, gefüllt mit Sardellen und gewürzter Mascarponecreme, sehr lecker.
Ich empfehle, eine Zwiebel und drei Knoblauchzehen sehr fein zu hacken, diese in je einem Esslöffel Butter und Olivenöl kurz anzubraten, mit 50 ml Gemüsebrühe abzulöschen und kurz einköcheln zu lassen. Dann frischen Ziegenkäse und etwas Sahne einrühren und die Sauce mit Salz, Chili und Curry abschmecken. Erst jetzt eine sehr klein gewürfelte Tomate und die gefüllten Blüten zugeben, die man nach einer Minute wendet und sofort serviert. Köstlich.
Ich schweife ab. Bleiben wir bei den täglichen Zucchini. Keine Zubereitungsart ist mir mehr fremd. In Scheiben gehobelt, fein gewürfelt, geraspelt. In Weißwein oder Galliano gedünstet. Scharf mit Knoblauch angebraten bis sie lumelig und goldbraun sind oder auch als Rohkost im Salat. Im Sahne-Sößchen oder im Zitronen-Olivenöldressing mit Salbei.
Ein wenig gewöhnungsbedürftig ist Marmelade aus Zucchini. Ist zumindest exotisch.
Ein Kilo Zucchini in dünne Scheiben hobeln, mit ein wenig Wein kochen und anschließend pürieren. Die Masse mit dem Saft einer Zitrone, etwas Chili und dem ausgekratzten Mark einer Vanilleschote würzen. Gelierzucker 3:1 unterrühren und – wie jede Marmelade – drei Minuten lang unter Rühren kochen, bevor die Konfitüre in Gläser abgefüllt wird.
Ich könnte ein Zucchini-Kochbuch schreiben.
XXI
Montags werde ich reich von den Yoga-Mädels bedach t , die auch alle Gemüse ziehen und es stolz und großzügig verschenken. Aber wer soll es angesichts der allgemeinen Überproduktion nehmen? Ich Deppin, von der man weiß, dass sie nur Kräuter und ein paar Tomaten anbaut. Wer sonst? Immerhin sind Salatgurke oder Kopfsalat eine Alternative zu besagten Zucchini.
Jeden Montag fahre ich nach Roccatederighi, benannt nach dem imposanten Felsen (rocca) auf dem der hübsche Ort liegt und dem Grafen Tederighi, der die 1110 erstmals erwähnte Siedlung lange beherrschte. Im späteren Dauerkonflikt zwischen Florenz und Siena wurde der Ort
Weitere Kostenlose Bücher