Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
1553 vollständig zerstört.
Heute ist es ein lebendiges Dorf mit 461 Einwohnern, die lustige Hobbys haben.
Sie spielen Palla Eh, ein Ballspiel mit antiken Wurzeln, das in Ciciano, einem Dorf in der Nähe, erfunden wurde - sagen jedenfalls die Eingeborenen von Ciciano - und nur in der südlichen Toskana bekannt ist. Die Regeln sind kompliziert. Klar ist, das zwei Mannschaften à drei bis fünf Spielern antreten und einen 35 bis 40 Gramm schweren mit Leder überzogenen Bleikern auf einem markierten Feld die Straße erst rauf und dann wieder runter spielen, in dem der Ball mit der flachen Hand einem Gegenspieler zugespielt wird bis er - der Ball, nicht der Gegner - das Ende des Spielfeldes erreicht. Gezählt wird wie beim Tennis 15-30-40- Vorteil-Spielgewinn-Satzgewinn. Fehler bringen dem Gegner Punkte und neuen Aufschlag. Zu den Fehlern zählen: Der Ball kommt zweimal auf der Erde auf, er wird zweimal hintereinander von einem Spieler derselben Mannschaft gespielt, er wird ins Aus geschlagen, wird mit beiden Händen oder gar einer anderen Körperpartie berührt.
Ein Spektakel ist auch der Palio Storico dei Ciuchi. Nicht auf Pferden wie beim berühmten Palio in Siena, sondern auf zuckelnden Eseln treten die vier Ortsviertel in erbittertem Wettstreit jedes Jahr am 14. August zum Rennen durch die Gassen an. Und das seit 1295.
Kein Breitensport ist Yoga. Da bin ich dabei. Das hält die bäuerlich geprägte Bevölkerung für esoterischen Quatsch. Dabei verzichten wir auf jedes „Ooohm“.
Trotzdem verirrt sich nur selten eine Italienerin in den Kurs. Obwohl es keine Sprachprobleme geben würde. Da unsere Lehrerin Monique, die - wie schon erzählt - mit ihrem Mann Luigi Ziegen züchtet, Französin ist, die Schülerinnen aber alle aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kommen, bleibt als gemeinsame Sprache nur Italienisch. Die Doppelstunde bietet mehr als einen wöchentlichen Muskelkater inklusive überdehnter Sehnen.
Der hässliche Gemeindesaal gilt als sozialer Treffpunkt der Waldfrauen. Deren sportliche Verkleidung ist zum Teil durchaus sehenswert. Pump- und Fischerhosen, geblümt, geringelt oder mit Sternchen verziert. Der Clou sind sehr rote Haare oder wehende graue Mähnen - beides gerne ab 70 plus.
Vor den sportlich-anthroposophischen Ertüchtigen für Leib und Seele wird gehandelt, kurz aber schwungvoll. Selbst angesetzter Joghurt, selbst gebackenes Körnerbrot, selbst gemachter Ziegenkäse, selbst eingesammelte Gänseeier, selbst angerührte und getrocknete Pasta werden getauscht und verkauft. Alles ist wirklich ganz „selbst“ und natürlich ganz bio.
Bio ist hier das Evangelium. Auch wer wenig Geld hat, lässt sich aus Deutschland Bio-Pullover aus Schafwolle für 150 Euro mitbringen, da die bösen Italiener keine Bio-Schafe haben.
Was ist da bio? In der Toskana laufen die Tiere doch auch frei rum. Muss die Farbe sein, die hier bestimmt sehr giftig ist.
Nach dem Handel wird geratscht.
Hat es bei euch auch geregnet? Gestürmt? Gehagelt? Habt ihr schon mit der Olivenernte angefangen? Beschneidet ihr die Bäume im Herbst oder Frühjahr? Geredet wird, was Landfrauen eben so interessiert.
Aber manchmal gibt es auch Highlights.
Moni hat sich beim Schleppen eines Zementsackes den kleinen Finger der linken Hand nicht nur gebrochen, sondern auch eine Sehne abgerissen. Alle stehen im Kreis um sie herum und starren auf den vorgestreckten kleinen Finger. Unbeeindruckt von der ärztlich verordneten Schiene, sind sich alle einig: Da hilft nur Arnika. Bei einem gebrochenem Finger? Meine Frage outet mich mal wieder als hoffnungslose Nichtwisserin. Knappe Antwort: „Arnika hilft bei allem.“ Schon wird ein Glasfläschchen aus der ersten Handtasche gekramt und geöffnet. „Schau Moni, Du musst fünf Kügelchen unter die Zunge legen.“ Der Patientin bleibt nichts anderes übrig, als die transparenten Perlen in den Mund zu nehmen. Allgemeines erwartungsfrohes oder neugieriges Gucken - je nach Mentalität. Finger schon heil? Moni kann nur den Kopf schütteln. Die Kügelchen lösen sich nur langsam auf.
Also, leider nein. Die Enttäuschung wehrt nur Sekunden. „Na ja, auch manche Wunder, und Arnika bewirkt Wunder, brauchen ein bisschen Zeit“, erklärt die edle Spenderin.
Klar, in ein paar Wochen wird der Finger wieder heil sein. Für die Arnika-Gläubigen ein klarer Erfolg für die Pflanze. Für mich ein Erfolg der Schiene.
Wieder zuhause habe ich bei Wikipedia gelernt, dass Arnika
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