Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
2001 zur Arzneipflanze des Jahres gewählt wurde. Allerdings solle eine orale Applikation wegen der Toxizität abgelehnt werden. Versuchsmäuse haben die Verabreichung in hohen Dosen mit dem Leben bezahlt. Herzstillstand. Daher ist die innere Anwendung zumindest in Deutschland, wohl nicht in Italien, verboten. Gott sei dank hat Moni die Arnika-Attacke unbeschadet überstanden.
Immerhin ist die positive Wirkung von Arnika-Salben bei rheumatischen Muskel- und Gelenkschmerzen klinisch belegt.
Bei Blessuren konnten zahlreiche wissenschaftliche Studien allerdings keinerlei Nutzwert dieser Zauberpflanze, auch Engelkraut genannt, feststellen. Also schon gar nicht bei einem gebrochenen Finger mit abgerissener Sehne. Aber ist wissenschaftlichen Studien wirklich zu trauen?
Garantiert ungefährlich und von Wissenschaftlern nie angezweifelt ist da der Rat einer anderen Yoga-Freundin.
„Triffst Du jemanden, der gerade nicht gut drauf ist, bitte ihn um heißes Wasser und eine Schöpfkelle.“
Aha.
„Wenn Du das angenehme Wasser ganz langsam über das Knie fließen lässt, wird sich der damit Beschenkte geborgen und getröstet fühlen“, versichert sie mir.
Ich bedanke mich lieb für den Tipp und male mir nur im Stillen aus, wie das wäre. Ein Freundin oder ein Freund erzählt von seinen Problemen, ich unterbreche, sage „Dein Problem ist gleich gelöst“, hole heißes Wasser und Schöpfkelle und bitte, ein Bein frei zu machen.
Dazu kommen praktische Fragen. Im Sommer ist die Therapie im Garten leicht durchzuführen. Aber was mache ich bei einer Winterdepression? Mangels Badewanne müsste ich den Gast in die Dusche setzen.
Für Heidi wäre der Rat mit dem heißen Wasser wohl kalter Kaffee. Sie könnte ein Guru aller Hokuspokus-Fans sein. Mit 81 Jahren sehr fit, wilden grauen Haaren und Outfits, bei deren Anblick selbst Lady Gaga vor Neid erblassen würde, stürmte sie auf Eva zu: „Ich muss unbedingt Deinen Mann kennenlernen. Joachim hat von ihm gesprochen und ich habe sofort gespürt, dass er eine unglaublich positive Aura hat.“
Ich war schwer beeindruckt. Was für eine Gabe. Jemand erzählt von irgendjemandem und ich weiß sofort, das ist ein guter Mensch, den ich gerne zum Freund hätte. Oder umgekehrt. Ich könnte mir gleich nach der Begrüßung jeden Smalltalk ersparen, da mich ja in der ersten Sekunde die negative Aura des Fremden umgibt, der ich natürlich sofort entfliehen werde.
Andere verzichten, zumindest für eine Woche im Jahr, ganz aufs Reden. Andrea und Kerstin reisen im Oktober stets gemeinsam nach Pomaia, einem malerischen Dörfchen in der Gegend von Pisa, um mit vielen anderen sieben Tage lang zu schweigen. Das Istituto Lama Tsong Khapa ist das zweitgrößte tibetisch-buddhistische Zentrum in Europa und wenn die beiden Glück haben, treffen sie auf Richard Gere oder den Dalai Lama, die hier beide häufiger vorbeischauen. Schade für sie, dass sie auch in diesem Fall nicht sprechen dürfen. Vielleicht treffen sie den Schauspieler, der zum Buddhismus konvertierte, nach dem Schweigen in einer Bar. Gere hat sich gleich in der Nähe des Klosters ein kleines Anwesen gekauft.
Übrigens, beide Frauen leben, jede für sich, allein im Wald und reden oft tagelang mit niemandem.
Vielen ist der Buddhismus zu normal. Und so ist die Toskana von Frühjahr bis Herbst voll von Leuten, die sich im üblichen Verhaltenskodex eingesperrt fühlen und nun im Urlaub abstruse Zentren bevölkern, um nach Herzenslust zu schreien und zu trommeln, Bäume zu umarmen und wilde Tänze aufzuführen.
Wem diese „innere Befreiung“ auf Zeit nicht reicht und es sich leisten kann, bleibt für immer hier. Der hiesige Supermarkt des Hokuspokus lässt keine Wünsche offen.
Channeling? Kein Problem. Hier wimmelt es von Medien, die im Trance Botschaften von Verstorbenen, Geistern und Engeln empfangen und freundlicherweise - gegen ein Honorar - weitergeben. Da sind doch Lebenskrise, Jobverlust und Liebeskummer schnell erledigt, wenn ein Engel oder Ur-Ur-Großvater raten, „denk an Dich. Nimm nicht alles so schwer.“
Einen wunderbaren Job in Heimarbeit hat Irina, die gerne weite, bodenlange Flatterkleider trägt. Dank ihrer Überzeugungskraft, haben manche Waldbewohner kaum mehr Platz in ihrem Bett. Sie müssen sich das Bett mit einem Haufen Steine teilen, um im Schlaf lauter Wunder zu erleben. Da ist der Achat, der sensibel für andere Menschen macht. Der Amethyst schützt vor Zauberei, Heimweh
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