Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
gefährlich durchbiegende Pergola. Bleibt nur, Saft zu pressen. Aber wie? Mit einigen Tests schufen wir eine Konstruktion, die wir patentieren lassen sollten. Großen Plastikblumentopf mit vielen kleinen Löchern am unteren Rand in noch größeren Bottich, ohne Löcher, stellen. Trauben in ersteres Gefäß füllen, Schuhe aus und nach alter Methode trampeln. Saft läuft durch kleine Löcher in großen Bottich. Maische wegwerfen. Saft in bereitstehende Eimer umfüllen. Diese „Kneipp-Kur in blue“ – die Füße sind für Tage verfärbt – wiederholen bis alle Trauben gepresst sind.
Nun hat man Eimer voller naturtrübem Saft, auf dem einige Partikel schwimmen, über die man besser nicht nachdenkt. Zum Beispiel, ertrunkene Ameisen.
Trinken mochte das keiner von uns.
Die Methode musste verfeinert werden.
Wir stellen eine Batterie leerer Plastikflaschen auf. Auf die erste Flasche kommt ein Trichter, darauf ein großes, aber feinmaschiges Teesieb, darauf ein, mit Küchenkrepp ausgelegtes, breitmaschigeres Sieb. Genial!
Wir füllten auf diese Weise Flasche um Flasche und ließen sie über Nacht stehen. Bis zum nächsten Morgen hatten sich trübe Stoffe abgesetzt. Man könnte auch von unappetitlichem Schmodder sprechen, der aber jeweils nur das untere Drittel der Flaschen füllte. Darüber aber sahen wir einen klaren, rosafarbenen Saft von eindrucksvoller Schönheit.
Nun kamen nur noch Trichter und das feinmaschige Sieb, inklusive Küchenkrepp, zum Einsatz. Das Rosa-Gold wurde in saubere Flaschen umgefüllt, der Schmodder entsorgt. Am Ende konnten wir 35 Liter köstlichen Traubensaft einfrieren.
Zugegeben, wir sind ziemlich stolz auf unseren Traubensaft. Aber Etiketten haben wir nicht auf den Flaschen. Die Diskussion gab es schon. Dagegen sprach schon der ganz profane Grund, dass sich die Schilder im Eisfach ablösen.
XXXVI
Ein Schlemmermahl bei 40 Grad im Schatten . Wir sind eingeladen bei Anna und Camillo. Zum Mittagessen. Das geht nur mit mit eisernem Willen, einem stabilen Kreislauf und robustem Magen. Die lange Tafel, im Halbschatten, biegt sich - tat sie natürlich nicht wirklich, aber man sagt es doch so, oder? - unter acht Vorspeisen, von frittierten Zucchiniblüten bis zu mit Fleisch gefüllten Tomaten. Gefolgt von der Pasta, Spaghetti mit angedickter Wildschweinsauce, Tortelli gefüllt mit Spinat und Ricotta und Tagliolini mit einer Käse-Sahnesauce. Als Hauptgerichte serviert Anna Huhn in Rotwein, natürlich Wildschweinbraten und drei verschiedene Gemüse, während Camillo als stolzer Grillmeister kiloschwere Bistecche fiorentine auftischt. Als ich nach der Pinienkern-Torte und vor der selbst gemachten Eisbombe streike, höre ich tatsächlich Jan Weilers Buchtitel fast im Original. Eine bekümmerte Anna stellt fest: „Eddi, ihr schmeckt‘s nicht.“ Das Gespräch verstummt. Alle schauen mich an. Eddi, eigentlich ein stets gut gelauntes Tönnchen und Annas beste Freundin, sagt leise: „Du weißt schon, dass ich das Eis gemacht habe?“
Das bestätigen neun nickende Köpfe. Ich lache tapfer. „War nur ein Scherz, ich werde mir doch das leckere Aprikoseneis nicht entgehen lassen!“ Jetzt lachen alle erleichtert und ich bekomme eine besonders große Portion. Ich werde nie wieder etwas essen. Na ja, vielleicht in zwei Tagen einen kleinen Salat.
Ich beneide glühend den aus Bergamo angereisten Sohn und seine Verlobte. Er darf wenig essen, weil er ja als Tennislehrer Leistungssportler ist und sie als Vegetarierin und 45 Kilo leicht, sowieso, kulinarisch gesehen, ein hoffnungsloser Fall ist. Antoniella und Paolo, das Bäckerpaar aus Prata, und auch Maria und Luigi, Artischockenbauer aus der Maremma, dürfen durchaus mal sagen, dass sie dies oder das nicht mögen oder es ihnen zu viel ist. Aber wir, als Ausländer? Uns fehlt die Berechtigung dazu - oder der Mut.
Die Unterhaltung dreht sich vor allem ums Essen. Das ist besonders originell, da alle nach den gleichen Rezepten kochen, die sie natürlich auswendig können. Aber jeder fällt jedem ins Wort, weil er weiß, dass nun die klein geschnittenen Tomaten angeschmort oder die Fleischbrühe angegossen wird. Richtig lebendig wird es, als ich von der sizilianischen Variante einer Peperonata schwärme. Eddi, verschafft sich mit lauter Stimme Gehör: „Wirklich so mit Pinienkernen und Rosinen?“ Ich: „Ja, und Sardellen.“ Camillo jammert nur immer
Weitere Kostenlose Bücher