Landnahme
Durchsetzungsvermögen, und ich dachte mir damals, dass sich seine Kollegen und ein paar vorlaute Burschen noch umsehen würden. Mit dem jungen Haber würde keiner so umspringen können wie mit dem alten.
Als wir uns verabschiedeten, fragte ich, wann er seine Tischlerei eröffne, und wünschte ihm Glück.
»Und den ersten Kubikmeter Kantholz bekommst du von mir zur Eröffnung geschenkt.«
Wieder nickte er nur, als wäre ein solches Geschenk bei einer Geschäftseröffnung selbstverständlich.
Ich fragte ihn, ob er meinen Kalender bekommen habe, weil er nichts darüber gesagt hatte.
»Ja«, sagte er nur, »danke.«
Er tat, als habe er nichts anderes erwartet und als stehe es ihm zu.
»Eiskalt und knallhart ist der Junge«, sagte ich zu meiner Frau, nachdem Haber gegangen war und ich mich erneut mit dem Rechnungsstapel beschäftigte, »der schafft es, den kriegen sie nicht klein.«
»Ist der nicht ein Umsiedler? Von denen hat noch nie jemand etwas Rechtes zustande gebracht.«
»Du wirst es erleben. Der weiß, was er will, und er bekommt, was er will. Ich wette mit dir darauf.«
Im Mai eröffnete er seine Tischlerei. Auf dem Schild stand vor seinem Namen der von Hermsdorf, aber alle wussten, wer der eigentliche Chef war. Eine Eröffnungsfeier gab es nicht. Dreimal annoncierte er in unserem Blatt, und ansonsten vertraute er auf seine neuen Maschinen. Und die waren tatsächlich erstaunlich. Am Tag vor der Eröffnunghatte ich ihm den versprochenen Kubikmeter Holz gebracht. Es waren nicht die allerbesten Bretter, doch sie waren gut durchgetrocknet und abgelagert, wie es die Tischler bevorzugen. Ich fuhr selber den Laster, da ich damals nur einen festen Angestellten hatte und außerdem neugierig war. Er führte mich durch die Werkstatt, die mir gut durchdacht schien, und zeigte mir die Maschinen. Den Schrott seines Vaters hatte er nicht übernommen, sondern neue oder gut erhaltene Maschinen gekauft. Er führte sie mir vor, da ich einige davon nicht kannte. Als er den riesigen Absauger für die Sägespäne anschaltete, war ich wirklich beeindruckt.
»Zwanzigtausend dürfte das Maschinchen gekostet haben.«
»Auf den Pfennig genau«, erwiderte er, als habe er mir nicht zugehört.
»Feine Werkstatt. Nichts dran auszusetzen. Da werden dir die Aufträge nur so ins Haus fliegen. Beuchler und die anderen Tischler werden die Ohren anlegen.«
»Wollen wir es hoffen«, sagte er zurückhaltend, »es war alles teuer genug.«
»Das glaube ich dir. Ist alles bezahlt oder bist du hoch verschuldet?«
»Ja«, erwiderte er nur, und ich konnte mir selber aussuchen, was er mir damit sagen wollte. Ich denke, vor allem wollte er mir zu verstehen geben, dass er darüber nicht reden will. Und das ging in Ordnung. Man redet nicht über Geld und Schulden, das tun nur Leute, die von dem einen wie von dem anderen nichts verstehen. Und Haber kannte sich aus, ihn würde man nicht kaputtmachen können. Der Junge nötigte mir Respekt ab.
Gemeinsam luden wir das Holz ab, setzten uns in sein Büro, und er holte für uns ein Bier und einen Schluck.
»Jeden zweiten Freitagabend gehört uns die Kegelbahn vom Adler«, sagte ich, »wenn du willst, frag ich, ob du mitmachen kannst.«
»Wer ist das?«
»Ein paar Freunde, sie sind alle aus dem Ort. Wir sind zwölf. Die zwölf Aufrechten. Alles Geschäftsleute.«
»Das klingt gut.«
»Ich will mich erkundigen. Ich werde ein gutes Wort für dich einlegen.«
»Ist Beuchler dabei?«
»Sicher.«
»Er könnte etwas dagegen haben. Wir sind schließlich Konkurrenten.«
»Das ist nicht das Problem, Haber. Dafür haben wir den Kegelklub, um auftauchende Probleme zu klären.«
»Fein. Dann bin ich dabei.«
»Nicht so hastig. Die andern müssen zustimmen. Und du wärst der Erste bei uns, der –«
Haber sah mich an und wartete, dass ich den Satz beendete. Dann sagte er zögernd: »Der erste Umsiedler?«
»Ja«, sagte ich, »du weißt ja, nicht alle in der Stadt sind auf euch gut zu sprechen. Es ist eben eine Kleinstadt, da fremdelt man mit Fremden. Und es waren damals zu viele auf einmal, die hier unterkommen wollten.«
Er sah mich ungerührt an, als höre er eine Neuigkeit. Er pflichtete mir nicht bei, er widersprach nicht, ihm war nicht anzusehen, was er darüber dachte.
»Ein Kegelklub«, sagte er endlich, »das würde mir gefallen.«
»Das Kegeln ist nicht das Entscheidende. Wir sitzen beieinander und bereden, was es in unserer Stadt zu bereden gibt.«
»Das dachte ich mir schon.«
»Es ist
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