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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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aufforderte, von sich zu erzählen, sah er mich lange an und sagte schließlich: »Was hat dir Frieder über uns erzählt?«
    »So einiges. Und wie man rasch zu viel Geld kommt.«
    »Und er hat dir tatsächlich angeboten, bei uns einzusteigen?«
    »Im Moment brauche er keinen Fahrer, sagte er mir. Wenn sich etwa ergibt, würde er sich bei mir melden.«
    »Das ist nicht ungefährlich.«
    »Ist mir klar.«
    »Einen Kumpel hats erwischt. Fünf Jahre.«
    »Abgang ist überall. Und ich wette, er hat einen Fehler gemacht.«
    »Nein. Der Fehler lag nicht bei ihm, so viel wissen wir. Der Kunde hat herumgequatscht, auch das gibt es.«
    »Wenn das Geld stimmt, muss man damit klarkommen.«
    »Rede nicht so geschwollen, Koller. Wen es erwischt, für den sieht es übel aus.«
    Ich goss mir Kaffee nach. Noch verstand ich überhaupt nichts. Es gab Kunden, für die man etwas mit dem Auto transportierte, und die gut bezahlen, wenn es gefährlich ist,aber ich hatte keine Vorstellung davon, was das sein könnte, womit man einen solchen Haufen Mäuse macht.
    »Dein Auto ist gut. Sehr gut. Ein kleiner Umbau, und es wäre der ideale Wagen.«
    »Was für ein Umbau? Das Auto ist originalgetreu, da wird nicht herumgebastelt.«
    »Da ist jede Menge Stauraum möglich, und keiner bemerkt was bei diesem Riesenschlitten.«
    »Da wird nichts umgebaut. Das ist ein Original, du kannst dir gar nicht vorstellen, was der wert ist.«
    »Jaja, aber das Gepäck muss verschwinden. Wenn du bei der Kontrolle den Kofferraum öffnen musst und der ist völlig leer, das wäre es, da wärst du sicher. Und manchmal darf sich ein Kunde nicht sehen lassen, weil er irgendwie aufgefallen ist. Mit deinem Wagen wäre das kein Problem. Und es würde eine Stange Geld mehr einbringen. Die zahlen, Junge, die zahlen jede Menge.«
    Ich nickte so verständnisvoll wie es mir möglich war.
    »Ja. Natürlich. Das wäre zu überlegen. Ein zweiter Boden wäre möglich. Vielleicht zwanzig Zentimeter oder dreißig, mehr auf keinen Fall, sonst fällt das auf.«
    »Ein zweiter Boden, genau. Könntest du den einbauen? Ich meine, könntest du ihn selber einbauen? In einer Werkstatt kannst du das nicht machen lassen, da haben sie dich gleich am Kragen.«
    »Kein Problem. Ich müsste mir ein paar Teile besorgen, etwas Blech, und wenn ich alles zusammen habe, schaffe ich das in einer Woche. In drei Tagen sogar.«
    Bernhard sah mich an und schwieg. Er überlegte, und das dauerte bei ihm noch immer lange, sehr lange. Damit hatte er alle schon in der Schulzeit genervt, er stand einfach da und überlegte, während alle auf eine Antwort von ihm warteten. Ich wollte ihn nicht drängen, er war gerade beim Erzählen, und allmählich schälten sich die Umrisse dessen heraus, womit er und dieser Frieder ihr Geld machten. Ichzündete mir eine Zigarette an, rauchte sie langsam und genussvoll, und erst, als ich sie ausdrückte, machte er wieder den Mund auf.
    »Ich könnte jemanden gebrauchen«, sagte er schließlich. »Einen mit Auto und Telefon, das sind die Voraussetzungen.«
    »Telefon? Momentan habe ich nicht einmal eine Wohnung.«
    »Und wie erreicht man dich?«
    »Sag ich dir, sobald ich eine Wohnung habe.«
    »Das dürfte kein Problem sein. Mit etwas Geld, mit etwas viel Geld hast du in einer Woche eine Wohnung mit Telefon, oder?«
    »Sicher. Und dann?«
    »Dann sprechen wir weiter. Einverstanden?«
    »Und was springt für mich dabei raus? Wie viel verdient ein Fahrer bei eurer Firma?«
    »Das ist keine Firma. Wir arbeiten alle einzeln, jeder für sich. Wie viel dabei sind, ich weiß es nicht, das weiß keiner. Oder fast keiner. Frieder auch nicht. Und das ist für alle besser so.«
    »Wie viel würde ich im Monat bekommen?«
    »Schwer zu sagen. Tausend, zweitausend. Manchen Monat einiges mehr, dann wieder wochenlang nichts. Du musst es aufs Jahr rechnen, dann zahlt es sich aus. Und du brauchst eine feste Stelle, irgendetwas, sonst machst du dich verdächtig. Eine feste Stelle, wo du dich jederzeit freistellen lassen kannst.«
    »Das ist nicht einfach. Was hast du für eine Stelle?«
    »Ich bin Schausteller.«
    »Was ist das?«
    »Jahrmarkt. Da bin ich mal hier, mal dort. Immerzu unterwegs.«
    »Und was machst du da?«
    »Gar nichts. Ein Freund von mir besitzt ein Kettenkarussell.Ich gebe ihm jeden Monat zweihundert Mark, dafür laufe ich als sein Angestellter durch die Bücher. Und das Geld braucht er für die Steuer. Wenn mir danach ist, lass ich mich mal bei ihm sehen. Die zweihundert Mark

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