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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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reicher Mann und alle meinten, er habe mit seinem Beruf in den Glückstopf gegriffen. Wenn ich bei ihm arbeiten könnte, hätte ich genau den richtigen Posten, um mich jederzeit für eine Autotour abmelden zu können. Ich hoffte,ich könnte den Onkel dazu überreden, er müsste mir ja nichts zahlen, sondern mich lediglich als Beschäftigten anmelden, und da er bereits im Rentenalter war, müsste das der Behörde glaubwürdig erscheinen. Falls er nichts davon hören wollte, es wäre möglich, denn ich hatte mit ihm in den letzten Jahren nichts zu tun, ich wusste nicht einmal, ob er seine Bienenvölker überhaupt noch besaß, dann hatte ich die Absicht, mich als Bienenzüchter selbständig zu machen. Ich wollte mich von ihm unterrichten lassen und beim Gewerbeamt eine Zulassung beantragen. Ich stellte es mir nicht schwer vor, Bienenzüchter zu werden, zumal ich auf das Geld für den Honig nicht angewiesen war. Ich hatte nichts in dieser Richtung unternommen, und als Bernhard fragte, behauptete ich es kurzerhand, um eine Antwort zu haben. Er schien damit zufrieden zu sein und sagte, auf meine erste Fuhre müsste ich nicht lange warten, er würde sich telefonisch bei mir melden. Er würde mir am Telefon einen Termin nennen, und wir müssten uns dann treffen, um die Einzelheiten abzusprechen. Er schärfte mir ein, dass ich am Telefon kein Wort sagen dürfe, ich solle ihm zuhören, mir alles merken und nichts aufschreiben. Bei der ersten Fahrt würde er mit mir fahren, mir alles Erforderliche zeigen und mich mit meinem Kontaktmann bekannt machen, das würde allerdings auch heißen, für die erste Fahrt würde ich kein Geld bekommen, allein die Auslagen würden mir erstattet und vielleicht das Benzingeld.
    »Das ist deine Lehrzeit«, sagte er, als ich ihn überrascht ansah, »keine Sorge, mit deinem Spezialauto bekommst du die besten Passagiere. Für das Versteck müssen sie was drauflegen, und das geht voll in deine Tasche. Wir arbeiten nämlich absolut pingelig. Jeder erhält, was ihm zusteht, und keiner wird um eine müde Mark betrogen, schon damit keiner auf dumme Gedanken kommt.«
    »Ich warte auf deinen Anruf. Und wo treffen wir uns?«
    »Sage ich dir am Telefon. Irgendwo in der Nähe des Kunden,nie bei ihm. Dabei sind wir übergenau. Vergiss nicht, wenn etwas schief geht, geht es komplett schief. Dann lächelt der Staatsanwalt.«
    Am gleichen Tag schrieb ich an meinen Onkel und kündigte meinen Besuch an. Drei Tage später rief ich ihn an und fragte, ob es ihm recht sei, wenn ich bei ihm vorbeischaue. Er war verwundert, sagte aber, ich sei ihm stets willkommen, auch wenn er nicht mehr gut auf den Füßen sei. Ein Essen könne er mir allerdings nicht servieren, denn seine Frau sei vor einem Jahr gestorben und er lebe allein und ohne Hilfe. Ich machte mich auf einen schwierigen Besuch gefasst und wurde nicht enttäuscht. In dem ganzen Haus stank es nach Alter und Armut, und als ich ihm durch die Küche in sein Wohnzimmer folgte, glaubte ich, ich würde am Fußboden festkleben, so viel Dreck klebte überall. Ich nahm auf der Kante eines Stuhls Platz, da mir das angebotene Sofa nicht geheuer war, und hörte ihm eine Stunde lang zu, in der er über seine Frau sprach und über irgendwelche Nachbarn, die ihn verfolgen und belästigen würden. Als er mich fragte, weshalb ich gekommen sei, und ich es ihm sagte, lachte er und erwiderte, ich käme drei Jahre zu spät, vor drei Jahren habe er die Bienen aufgegeben und alles einem Mann aus dem Nachbarort verkauft. Ich hatte es mir bereits gedacht, dass er nicht mehr als Bienenzüchter arbeitet, er war schon zu hinfällig. Dann wollte er wissen, wieso ich plötzlich meine Leidenschaft für Bienen entdeckt habe, und ich sagte etwas von der freien Natur, die ich der dreckigen Werkstatt vorziehe, und dass ich mich schon in der Schule für Bienen interessiert habe. Ich erkundigte mich, was ich unternehmen und mir kaufen müsse, um als Züchter zu arbeiten, und er konnte mir einige Ratschläge geben, die mir nützlich schienen. Er wusste auch, wie man zu einem Gewerbeschein kommen kann und welche Landkreise an der Aufstellung von Bienenstöcken interessiert sind. Er erklärte mir stundenlang die Bienenzucht, was mich langweilte,denn dass man den Heidehonig nicht schleudern könne, sondern dass die Waben gepresst werden müssen, interessierte mich nicht. Ich wollte keinen Heidehonig herstellen, ich brauchte einen Gewerbeschein und ein paar Bienenvölker, die herumflattern konnten, wo

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