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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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sie wollten. Bei mir könnten sie ihren Honig selber fressen, ich hatte nicht vor, ihnen ihre Waben wegzunehmen und dabei Gefahr zu laufen, gestochen zu werden. Ich hörte dem Alten zu und schrieb mir sogar einiges auf. Als ich endlich gehen konnte, gab er mir den Schlüssel für seinen Stall. Dort standen ein paar Stülpkörbe herum, und es fanden sich einige Netze und eine Honigschleuder, die ich alle mitnehmen sollte. Ich verstaute die Sachen in mein Auto, ich wollte etwas vorzuweisen haben, wenn irgendjemand zu mir käme und ich mich als Bienenzüchter zu präsentieren hätte. Er gab mir ein Buch über Bienenzucht mit, das warf ich unterwegs aus dem Auto, es stank nach dem Onkel.
    Vierzehn Tage später rief ich bei Bernhard an und fragte, wann wir uns treffen. Ich sagte, ich wäre viel unterwegs gewesen und hätte möglicherweise seinen Anruf verpasst. Er war sehr kurz angebunden und sagte nur, er melde sich und ich solle ihn nicht wieder anrufen. Ich merkte an seiner Reaktion, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Ich hatte bereits so viel Geld ausgegeben, dass ich zur Abwechslung endlich mal etwas verdienen wollte.
    Eine Woche später kam der Anruf. Bernhard sagte, er erwarte mich am nächsten Tag um neun Uhr auf dem Hauptpostamt in Altenburg. Ich sagte, ich würde kommen. Er wiederholte Uhrzeit und Treffpunkt und legte auf.
    Ich war eine ganze Stunde zu früh an der Hauptpost, stellte den Wagen ab und lief durch die Stadt bis zum Kleinen Teich. Dann kehrte ich um, lief zur Orangerie und zum Schloss hinauf und musste mich schließlich beeilen, um pünktlich im Hauptpostamt zu sein. Im Schalterraum war von Bernhard nichts zu sehen, und ich ging hinaus undstellte mich neben meinen Wagen. Bernhard kam eine Viertelstunde zu spät. Er parkte sein Auto, kam zu mir und wir setzten uns in meinen Wagen. Er sagte, es wäre ein Ehepaar mit einem Kleinkind nach Berlin zu bringen, ein Lehrerehepaar aus der Brauhausstraße.
    »Wohin in Berlin?«
    »Zum Treffpunkt. Das ist die Kiefholzstraße in Treptow, ich zeige dir alles. Wenn nichts anderes vereinbart wurde, findet stets dort die Übergabe statt.«
    »Übergabe an wen?«
    »Du hältst an der Ecke Wildenbruchstraße und wartest einfach. Wenn du zum richtigen Zeitpunkt eintriffst, musst du nicht lange warten, dann kommt ein Mann zum Auto, klopft an die Scheibe und fragt dich, ob du ihm einen Geldschein wechseln kannst. Das ist dann dein Mann. Du lässt deine Kunden aussteigen, gibst ihnen das Gepäck und verschwindest, so schnell du kannst. Lass dir vorher das Geld geben, Koller, hinterher siehst du nichts mehr. Und einklagen kannst du es nicht. Wenn du mehr als eine Stunde zu spät am Treffpunkt eintriffst, das ist schon vorgekommen, möglich ist alles, dann kannst du gleich mit den Leuten zurückfahren, dann kommt keiner mehr, um sie abzuholen. Und wenn dein Mann in Berlin länger als eine Stunde nach der verabredeten Zeit sich nicht sehen lässt, dann verschwindest du mit deiner Fracht. Denn dann ist irgendwo irgendetwas schief gelaufen. Und dann bezahlen die Leute nichts, hast du verstanden?«
    »Nicht mal Benzingeld?«
    »Nein. Nichts. Das gehört zu den Verabredungen, und an die musst du dich halten, wenn du dabeibleiben willst. Überleg einmal, wenn du den Leuten Geld abknöpfst, obwohl du sie lediglich nach Berlin und zurück gefahren hast, das könnte sie ärgern. Und vielleicht überlegen sie es sich dann und plaudern irgendwo darüber. Dann haben sie dich am Arsch. Also, keine Übergabe, kein Geld. Ist das klar?«
    »Hab verstanden.«
    »Die Männer in Berlin wirst du bald kennen gelernt haben, es sind zwei, immer dieselben. Ich kenne ihre Namen nicht, ich habe mich nie mit ihnen unterhalten, das ist für alle besser so. Und daran solltest du dich halten. So, und jetzt fährst du an der Kirche vorbei und dann immer geradeaus bis zur nächsten Hauptstraße, dort musst du links abbiegen.«
    »Kennst du dich aus in Altenburg?«
    »Nein. Ich war nie hier.«
    »Und woher weißt du, wie wir fahren müssen?«
    »Darum musst du dich vorher kümmern. Wenn du die Adresse bekommst, dann besorge dir einen Stadtplan oder irgendetwas Ähnliches. Und präg dir alles ein. Nie jemanden fragen, auch nicht in Berlin. Mit keinem sprechen, nicht auffallen, keiner soll sich an dich erinnern.«
    »Mein Wagen fällt auf. Überall.«
    »Richtig. Das ist das Dumme an deinem Auto. Dafür hat er dieses hübsche Unterdeck, das macht es wieder wett. So, jetzt nach links. Und dann die zweite

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