Landpartie mit drei Damen
von Driburgh?«, sagte er, nachdem Jasper sich vorgestellt hatte. »Großartig! Der Herzog wird sich bestimmt sehr über Ihren Besuch freuen. Im Moment ist das Hohe Haus allerdings in einer Sitzung, weshalb ich vorschlagen würde, Sie warten bis zum Ende der Sitzung. Es dauert höchstens eine halbe Stunde, die heutige Tagesordnung ist sehr kurz. Ich würde sogar nach dem Herzog schicken lassen, aber heute fungiert er als Stellvertreter unseres Lord Chancellor Lord Rousham, der wieder einmal erkrankt ist – nein, nein, zum Glück nichts Ernsthaftes. Er ist bloß auf eine Ulme geklettert und baut sich dort oben ein Nest. Inzwischen verhindern wir das nicht mehr, bei solch harmlosen Dingen soll man gar nicht mehr einschreiten. Bei dem warmen Wetter wird er sich schon nicht erkälten, und die anderen schauen gern zu, wie er mit dem Nest vorankommt. Eigentlich ein Mordsspaß für sie.«
»Interessant«, sagte Jasper. »Hat mein Großvater auch so hübsche Hobbys?«
»Nein, nichts Spektakuläres. Er baut gern und liest Rider Haggard. Ein paar Ziegelsteine und ein Eimer weiße Farbe, dann ist er stundenlang zufrieden. Er hält die Farbe für Mörtel, wissen Sie. Aber er hatte seit seiner Einlieferung keinen Anfall, aus meiner Sicht ist er sehr pflegeleicht.«
»Warum wurde er denn eigentlich weggesperrt?«, fragte Jasper. »Ich habe mich das oft gefragt, aber es war ja weit vor meiner Geburt, und in der Familie wurde nicht darüber gesprochen.«
»Ich bin mir nicht ganz sicher – ich könnte aber nachschauen, wenn Sie wollen. Einen Moment« – er öffnete eine Schublade und ging eine Kartei durch –, »A, B, C, D. Driburgh, hier. Ach ja, natürlich, jetzt fällt es mir wieder ein. Er war auf seinem Grundstück mit dem Jagdgewehr unterwegs, ärgerte sich über irgendwas – die Vögel kamen aus der falschen Richtung oder so. Das Ergebnis war jedenfalls, dass er einen Wildhüter und drei Treiber erschossen hat, zwei zur Linken und zwei zur Rechten. Da sind ihm wohl die Nerven durchgegangen, hier macht er immer einen ganz normalen Eindruck. Tonangebende Figur im politischen Leben, wissen Sie.«
»Und was sind seine politischen Ansichten?«, fragte Poppy mit einem leisen Kichern, das sofort erstarb, als der Kurator ihr einen tadelnden Blick zuwarf. Sie schloss daraus, dass Witze über die Insassen und ihre Spleens nicht gern gesehen wurden.
»Der Herzog ist ein Tory durch und durch.«
»Aber das sind hier doch bestimmt alle«, sagte Jasper.
»Da täuschen Sie sich gewaltig. Wir haben hier nur eine Handvoll von Reaktionären, die meisten Peers sind gemäßigte Baldwinisten, unter den Liberalen gibt es ein paar sehr fortschrittliche Figuren, und außerdem haben wir nicht weniger als vier Kommunisten und zwei schottische Nationalisten.«
Eine elektrische Klingel auf dem Schreibtisch des Verwalters ertönte zweimal.
»Die Sitzung ist beendet«, sagte er. »Früher, als ich gedacht hatte. Kommen Sie bitte, ich werde den Herzog suchen. Übrigens, dieser Gegenstand in ihrer Tasche – ist das eine Kamera?«
»Nein, nein«, sagte Jasper, »ich bin schwerhörig, das ist meine Hörhilfe.«
Der Kurator errötete. »Ich bitte um Entschuldigung«, sagte er. »Ich musste Sie das fragen, Kameras sind hier nämlich strengstens verboten.«
»Selbstverständlich.«
Der Kurator führte sie nun hinaus auf die Terrasse, die, genau wie das Original in Westminster, an einem Wasserlauf lag und mit zierlichen Teetischchen vollgestellt war. Aus einer anderen Tür strömten meist hochbetagte Gentlemen ins Freie, die an einen Trauerzug erinnerten. Einige unterhielten sich lebhaft in kleinen Grüppchen, andere steuerten direkt auf die Tische zu und bestellten mit lauter Stimme Vanilleeis, Crumpets und Himbeermarmelade oder Würstchen mit Kartoffelpüree.
»Ah, Hoheit«, sagte der Kurator. Er trat auf eine Gruppe zu, nahm einen hochgewachsenen, wohlgenährten, aber attraktiven älteren Mann am Arm und dirigierte ihn zu Jasper und Poppy. »Hier sind zwei Gäste, die Sie sprechen möchten, Ihr Enkel Mr Aspect und Mrs St.Julien.«
»Mein Junge«, sagte der Herzog mit übertriebener Herzlichkeit. Seine wässrigen Augen flossen über, und eine dicke Träne klatschte auf den Boden. Er ergriff Jaspers Arm mit beiden Händen und schüttelte ihn kräftig. »Mein Junge! Schön, dass du deinen alten Großvater besuchst. Nicht viele meiner Nachkommen lassen sich hier blicken.«
Der Kurator zog sich zurück.
Der Herzog begrüßte nunmehr Poppy
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