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Landpartie mit drei Damen

Landpartie mit drei Damen

Titel: Landpartie mit drei Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Mitford
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willkommenen Aufmerksamkeiten wie Essenseinladungen und Taschengeld seitens der Herrin von Comberry Manor rechnen können. In diesem Jahr war eine unerfreuliche Veränderung eingetreten. Über einen Monat waren sie schon in Rackenbridge, und noch immer hatte ihre Gönnerin kein Gemälde, keine Fotografie, keine Keramik oder etwas aus handgewebtem Leinen in Auftrag gegeben und ihnen auch nicht, wie sonst üblich, einfältige Kunden vermittelt. Fast noch schlimmer als diese wirtschaftliche Flaute war die Tatsache, dass praktisch keine Essenseinladungen mehr aus Comberry eintrafen. Die künstlerischen jungen Männer waren es leid, auf dem Fußboden Rühreier und Sardinen zu essen, sie sehnten sich danach, an einem Tisch zu sitzen und sich über einen anständigen Braten herzumachen.
    Für diesen Missstand wurde zu Recht Noel verantwortlich gemacht. Er lenkte Mrs Lace von ihrem gewohnten Leben ab und hatte sie zudem in ihrer Überzeugung erschüttert, dass ihre Freunde Genies seien. Er hatte ihr nämlich versichert, dass sie in London vollkommen unbekannt seien, und an ihren Arbeiten fand er kein gutes Haar. Über Mr Forderens Porträtserie »Anne-Marie in stimmungsvollen Momenten« etwa, die in Rackenbridge seinerzeit für große Begeisterung gesorgt hatte, bemerkte er süffisant, dass sie sich lieber von einem richtigen Fotografen hätte porträtieren lassen sollen.
    »Verstehst du denn nicht«, hatte Anne-Marie erwidert, »diese Fotos zeigen nicht mich, sondern meine Stimmungen, dieses beispielsweise – ›Versonnen am Kamin‹ –, findest du das nicht sehr eindrucksvoll?«
    »Nein«, sagte Noel, dessen Stimmung an diesem Tag nicht die allerbeste war. »Es ist ein Amateurschnappschuss von dir mit affektiertem Gesichtsausdruck und mehr nicht. Offen gestanden, keines finde ich sonderlich beeindruckend. Und wie gesagt, diese jungen Ästheten in Rackenbridge sind schrecklich 1923 und noch dazu nur schlechte Kopien.«
    Die Folge war, dass die Fotoserie aus Anne-Maries Salon, wo sie schon lange den Unmut von Major Lace erregte, in ein WC im Erdgeschoss verbannt wurde. Dort entdeckte sie dann auch der arme Mr Forderen anlässlich einer Cocktailparty.
    In dieser schwierigen Situation verzichtete man in Rackenbridge auf die kleinlichen Eifersüchteleien, die gewöhnlich für Unfrieden sorgten, und beschloss einmütig, zur Tat zu schreiten. Mr Leader, bislang der beneidete, aber anerkannte Favorit von Comberry Manor, wurde beauftragt, Mrs Lace ihrem spießigen Galan abspenstig zu machen oder, sollte sich das als nicht durchführbar erweisen, zumindest darauf hinzuweisen, dass ihre alten Freunde sehr wohl ein wenig von ihrer Zeit und Aufmerksamkeit beanspruchen durften. Zu diesem Zweck schickte Mr Leader einen handgefertigten Topf mit Honig sowie ein Kärtchen, auf dem er Mrs Lace bat, zu einem mitternächtlichen Treffen an einem ihnen beiden bekannten Ort zu kommen, einer kleinen grünen Erhebung unter einer riesigen Eiche. Er kannte seine Anne-Marie gut genug, um zu wissen, dass er keine Chance hätte, wenn er in der üblichen Weise um sechs Uhr bei ihr klingeln würde, aber der Aussicht auf eine melodramatische Szene im Mondschein würde sie kaum widerstehen können. Und tatsächlich: Um Schlag zwölf schlüpfte sie aus dem Ehebett, ließ Major Lace allein mit seinem ungeheuren Geschnarche, das, wie sie genau wusste, höchstens ein Erdbeben würde stören können, warf sich ein Chiffontuch über ihr Chiffonnachthemd und schwebte davon zu ihrem Stelldichein mit Mr Leader unter der Eiche.
    Sobald er sie kommen sah, machte er einen anmutigen Schritt nach vorn, streckte ihr die Hände entgegen und rief: »Schöner Schwan!«, in der Hoffnung, auf diese Weise romantische Erinnerungen an eine Zeit zu wecken, als sie in Rackenbridge als »Leader und der Schwan« bekannt waren. »Heute Nacht bist du schöner denn je. Bist du eine Bewohnerin dieses Planeten, du herrliches Geschöpf, oder kommst du aus einer anderen Sphäre?«
    Anne-Marie ließ sich auf dem Rasen nieder, nahm eine klassische Pose ein und blickte melancholisch zu ihm auf.
    »Isch bin gekommen«, sagte sie, und ihr französischer Akzent war noch stärker als sonst. »Es war gefährlisch und schwierig, aber isch bin gekommen. Was willst du – que veux-tu mon ami ?«
    »Alles«, sagte Mr Leader heftig, »oder nichts.«
    Anne-Marie lehnte sich zurück und wartete auf den erhofften leidenschaftlichen Ausbruch; sie wurde nicht enttäuscht. Mr Leader nahm jene

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