Landschaften der Metropole des Todes: Auschwitz und die Grenzen der Erinnerung und der Vorstellungskraft (German Edition)
Straflager durch Begleitung des Unterzeichneten bei einer Dienstfahrt eines der Mitarbeiter des Sicherheitshauptamtes dorthin.
Zweckmäßig wäre bei letzterem Besuche, von der Aushändigung der zugelassenen Sendung (Stärkungsmittel für Kranke) – dortige Zustimmung vom 26. 01. 44 Nr. IV B 4a 2647/42 – an die Lagerleitung Kenntnis zu nehmen, so dass dem Vereinigten Hilfswerk in Genf der Empfang dieser Sendung durch persönliche Inaugenscheinnahme durch einen Vertreter des Deutschen Roten Kreuzen bestätigt werden könnte.
Angesichts der sich mehrenden ausländischen Anfragen über die verschiedenen jüdischen Lager erscheint die wiederholt erörterte Zweckmäßigkeit dieser geplanten Lagerbesuche in erhöhtem Maße gegeben.
Tatsächlich wird der Delegation des Internationalen Roten Kreuzes in einem weiteren Brief vom 18. Mai 1944 die Erlaubnis erteilt, das Lager zu besuchen. Als bevorzugter Zeitraum wird der frühe Juni genannt. Der Brief kommt aus dem RSHA und ist an den Leiter der Auslandsstelle des Deutschen Roten Kreuzes, Niehaus, adressiert; in dem Schreiben heißt es unter anderem:
Der Reichsführer SS [Himmler] hat der Besichtigung des Ghettos Theresienstadt und eines jüdischen Arbeitslagers durch Sie und einen Vertreter des Internationalen Komités des Roten Kreuzes zugestimmt.
Die Worte »ein jüdisches Arbeitslager« und »einen Vertreter des Internationalen Komités des Roten Kreuzes« sind von Hand unterstrichen, und am linken Rand findet sich die handschriftliche Bemerkung: »Am 19. 5. Nachm. 18h der Schweiz. Deleg. fernmündlich mitgeteilt für Dr. Marti.«
Der Brief, der am nächsten Tag in dieser Angelegenheit nach Genf gesandt wurde, ist ebenfalls erhalten.
Über den ersten Teil des Besuches im Ghetto Theresienstadt am 23. Juni 1944 gibt es zahlreiche Berichte. Als Beispiel führe ich hier einen Abschnitt aus dem Brief von Heydekampfs an, eines der Delegationsmitglieder des Deutschen Roten Kreuzes, den dieser einige Zeit später an seinen Vorgesetzten Niehaus schrieb:
Wie bereits am Fernsprecher mitgeteilt, hat der Unterfertigte am Sonntag, dem 10. 9., in den Bericht des Dr. Rossel Einsicht genommen. Anliegend ein kurzer Auszug. Hauptsturmführer Möhs ist am 11. 9. persönlich von dem Unterzeichneten in Kenntnis gesetzt worden und scheint restlos befriedigt zu sein. Die Angelegenheit dürfte damit erledigt zu sein.
26 Im englischen Original erschienen unter dem Titel » Ghetto in an Annihilation Camp. Jewish Social History in the Holocaust Period and its Ultimate Limits« in Yisrael Gutman und Avital Saf (Hrsg.), The Nazi Concentration Camps: Structure and Aims, the Image of the Prisoner, the Jews in the Camps , Jerusalem 1984, S. 315–333. Diese Version, versehen mit einem wissenschaftlichen Fußnotenapparat, auf den hier verzichtet wurde, ist im Internet zugänglich: http://lekket.com/data/articles/004-000-018_000.pdf.
Eine genaue Durchsicht der Anlagen zum Bericht des Internationalen Roten Kreuzes enthüllt den Hauptgrund für die »restlose Zufriedenheit« des Repräsentanten des RSHA . Neben der enthusiastischen Beschreibung der Ghettoeinrichtungen findet sich folgende Äußerung: »Das Lager von Theresienstadt ist ein ›Endlager‹, normalerweise wird keiner, der einmal hergekommen ist, weiterverschickt.« Den Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes wurde also ausdrücklich mitgeteilt, dass es keine weiteren Deportationen von Theresienstadt nach Osten geben würde. Und da, entgegen allen Befürchtungen, die Delegation keine weiteren Fragen stellte, war klar, dass der Besuch in Theresienstadt ihre Erwartungen voll und ganz erfüllt hatte. Somit wurde auch das »Familienlager« in Auschwitz-Birkenau, das als Antwort auf alle möglichen Fragen über das Schicksal der in den Osten deportierten Juden gedacht war, überflüssig. Und so wurde das Lager weniger als drei Wochen nach dem Besuch der Delegation des Internationalen Roten Kreuzes in Theresienstadt in der ersten Julihälfte endgültig liquidiert.
Dank
Ich möchte all denen danken, deren Initiative, Fähigkeiten und Bereitschaft zu einem anhaltenden Dialog führten und dieses Buch in seiner vorliegenden Form möglich machten. Allen voran danke ich Chaia Bekefi, die mich bewog, meine Betrachtungen auf Tonband aufzuzeichnen. Nicht weniger wichtig waren mir die Kommentare und Reaktionen der Leser der vorab publizierten Auszüge in englischer und deutscher Sprache und derjenigen, die das gesamte Manuskript auf
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