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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Grafschaft lag das Städtchen Leyen und ringsherum einige Köhlerdörfer und Holzfällerlager. Vor Ni enstädt zog sich schon wieder die Grenze durch den Wald.
    „Wenn ihr mich fragt“, bemerkte Hagen, „ist es kein Wunder, dass man in Eulenbach ab und an von Kreaturen der Nacht heimgesucht wird. Der Wald kann bestimmt ganz schön schauerlich werden, wenn es dunkel wird.“
    „Schlaumeier“, brummte ich.
    „Entschuldige, wenn ich vergessen haben sollte, deine fachkundige Meinung einzuholen, ehe ich meinerseits einem Wort gestattete, meinen Mund zu verlassen.“
    Ich schwieg. Hagen suchte Streit. Das tat er häufig, wenn ich meine Ruhe wollte. Sollte er sich doch bei unserer Ankunft jemanden suchen, der sich auf dieses niedrige Niveau herabließ.

    Gegen Abend kam Leyen in Sicht, wo sich auch der gräfliche Landsitz befand, unser Reiseziel. Wir wichen den Häusern aus, da wir unsere Ankunft gerne für uns behalten wollten, solange es noch keinen Grund gab, jemandem davon zu berichten. Wir wussten noch nicht, dass es ziemlich bald völlig egal werden würde, wer uns sah und warum.
    „Ist euch aufgefallen, dass Eulenbach ein ziemlich lustiger Name ist?“, merkte Hagen noch an, als wir uns dem Landsitz näherten. Salandar, der neben ihm ritt, verpasste ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.
    „Hüte dich, das in Gegenwart des Grafen zu sagen!“, raunte er.
    „Au“, beschwerte sich Hagen. „Ich bin ja nicht auf den Kopf gefallen.“
    „Nein, aber wenn du dich nicht benimmst, sorge ich dafür, dass genau das passiert.“
    „Ja, hack ruhig auf mir herum. Womit habe ich das eigentlich verdient?“
    Salandar lächelte.
    „Lass mich überlegen ... du bist vorlaut. Wobei gerade du eigentlich manches besser wissen müsstest.“
    „Bla, bla“, äffte Hagen Salandars Tonfall nach.
    „Außerdem bist du der Jüngste“, ergänzte dieser bösartig.
    „Dafür wiege ich auch am wenigsten.“
    „Touché!“
    Hagen lachte. „Wo wir gerade dabei sind, den Jüngsten, den Dümmsten und so weiter zu bestimmen: Haben wir eigentlich auch einen lustigen Namen für uns?“
    „Nein, warum?“
    „Na ja, man könnte uns doch als so etwas wie eine Bande bezeichnen. Wie wär’s mit ,Die Geisterfänger von Hameln‘ oder so?“
    Diesmal war Hagen schnell genug, duckte sich unter Salandars Hand hinweg und lenkte sein Pferd von ihm weg, nur um sich einen Klaps von mir einzufangen, als er in Reichweite war.
    „Ist ja schon gut, ich halte die Klappe“, stöhnte er ergeben.
    Salandar und ich grinsten einander an. Wir hatten erreicht, was wir wollten.

    Der gräfliche Landsitz zu Eulenbach erwies sich als klassisches, aber etwas rustikales Herrenhaus. Offenbar ehemals weißgekalkt, mittlerweile allerdings ziemlich verblichen, lag es inmitten einer ausschweifenden Gartenanlage, der es aber an vielen Stellen an Pflege mangelte. Zumindest wenn man die Akkuratesse desjenigen bedachte, der ihn einst angelegt haben mochte.
    Es war eigenartig, dass man so wenig von diesem Teil des Königreiches hörte, wo er doch quasi direkt vor unserer Hamelner Haustür lag. Vielleicht war er einfach zu unbedeutend.
    Der späte Septemberabend ließ das Licht schon entweichen, und die Dämmerung legte sich über das Anwesen. Der Herbst trug in diesem Jahr schon früh sein Übliches zur Atmosphäre bei. Beinahe wirkte Eulenbach wie ein Ort, an den sich die Farben nur selten verirrten.
    Im Erdgeschoss brannte in einigen Fenstern Licht, und als wir den Eingang erreichten, kam uns bereits ein Bediensteter entgegen. Er trug einen Frack.
    „Sind Sie Herr Salandar und Begleiter?“, fragte er höflich, aber unverkennbar mit einem britischen Akzent. Eigenartig.
    Wir bejahten, woraufhin man uns Pferde und Gepäck abnahm.
    „Wie schön, Sie schon so bald willkommen heißen zu dürfen.“
    Ein weiterer Bediensteter erschien und führte uns durch den Haupteingang ins Foyer des Anwesens. Leichte Geigenmusik ertönte in einem anderen Teil des Gebäudes und jagte mir eine Gänsehaut über den Körper.
    „Bitte gedulden Sie sich einen Augenblick! Der Graf ist jeden Moment für Sie zu sprechen“, versicherte uns der Diener im Frack und verschwand.
    Salandar und ich drehten uns gleichzeitig um und fassten Hagen fest ins Auge, der nur abwehrend und entschuldigend die Hände hob, aber ansonsten den Mund hielt. Gut so. Belustigungen über die offensichtlich ausländische Dienerschaft konnten wir uns nicht leisten, solange wir beim Hausherrn noch keinen Stein im Brett

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