Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)
Rosenthal.
„Vier?“
„Letzte Woche wurde die Betreiberin eines eher zweifelhaften Etablissements mit dem Namen ‚Zur Rose‘ auf einem Feld nördlich von hier gefunden. Dieselben Symptome: grimassenhaftes Gesicht, keine sonstigen körperlichen Schäden.“
Ich sah Salandar an. „Also waren wir wohl nicht schnell genug hier.“
Er winkte ab. „Das sind wir doch eigentlich nie.“
Eine Weile saßen wir einander schweigend gegenüber und schlürften Kaffee. Schließlich räusperte sich Viktor Calaminus erneut.
„Was gedenken Sie jetzt zu tun?“
Er klang nicht überzeugt von uns, aber da wir den Grafen als Autorität im Rücken hatten, war mir das herzlich egal.
„Zuerst einmal bitte ich Sie, sich weiterhin mit dem Fall zu befassen. Darüber hinaus brauchen wir alles, das Sie bisher herausgefunden haben. Insbesondere alle Namen, die in irgendeiner Weise in Zusammenhang mit der Sache stehen.“
Calaminus riss die Augen auf.
„Keine Panik“, beruhigte ich ihn. „Wenn Sie es am Ende sind, die den Fall aufklären, bin ich für meinen Teil der Letzte, der Ihnen den sauer verdienten Ruhm streitig machen möchte. So eigenartig unser Beruf auch erschienen mag: Auch wir sind Verfechter ehrlicher Arbeit.“
4.
Wir hatten beschlossen, uns aufzuteilen und die Leyener besser kennenzulernen. Vor allem diejenigen, die in unmittelbarem Kontakt zu den Opfern standen.
Was blieb uns anderes übrig? Die Polizisten hatten uns nichts sagen können, was uns weitergebracht hätte. Gut, wir wussten, dass das, was wir jagten, seinen Opfern kurz vor dem Tod offenbar grauenvolle Qualen bereitete. Zumindest deutete die Beschreibung ihrer Gesichter darauf hin. Weiterhin wussten wir, dass wir es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit einem körperlichen Wesen zu tun hatten, denn es hatte seine Opfer nicht sichtbar verletzt.
Damit gab es zahlreiche Möglichkeiten. Diverse geisterhafte Wesen und Gestalten kamen in Betracht, doch es gab unzählige von ihnen, zumal wir keines der Opfer selbst zu Gesicht bekommen hatten.
Insgeheim hoffte ich, dass es sich einfach nur um einen ruhelosen Geist handelte. In diesem Fall mussten wir zwar immer noch herausfinden, wessen Geist wir überhaupt verfolgten, aber die Bekämpfung war in den meisten Fällen relativ simpel: Man musste die sterblichen Überreste desjenigen dem Feuer übergeben.
„Bist du vielleicht endlich jemand, der mir Glauben schenkt?“, ertönte eine sonore Männerstimme neben mir, während ich durch eine Gasse ging, unterwegs, um Nikolaus Bender einen Besuch abzustatten. Hagen hatte sich bereit erklärt, die Frau des Wagners aufzusuchen, während sich Salandar – natürlich – auf den Weg zum Etablissement Zur Rose gemacht hatte.
Gedankenverloren blickte ich hoch, sah aber niemanden. Ich schüttelte den Kopf, wahrscheinlich hatte ich zu intensiv über Gespenster nachgedacht.
„Du bist doch einer der Geisterjäger, oder?“
Verunsichert blieb ich stehen, bis mir eine braungetigerte Hauskatze auffiel, die aufrecht auf dem Deckel einer hölzernen Regentonne saß und mich aus honiggelben Augen anstarrte.
„Hast du mit mir geredet?“, fragte ich. Allerdings eher, um mich selbst auf den Arm zu nehmen.
„Natürlich“, antwortete das Tier, und mir fuhr ein leichter Schreck durch die Glieder. Dennoch gelang es mir, mir nichts anmerken zu lassen. Zumindest hoffte ich das.
Selbstverständlich wussten wir darum, dass es alle möglichen seltsamen Dinge auf der Welt gab, aber es verlangte dem Verstand doch immer wieder einiges ab, wenn man auf etwas Neues traf. Eine sprechende Katze – oder vielmehr wohl ein Kater, der männlichen Stimme nach zu urteilen – hatte bisher noch nicht zu den Dingen gehört, denen ich begegnet war.
„Wieso kannst du sprechen?“, fragte ich schließlich.
Der Kater leckte sich die rechte Pfote und strich sich damit über ein Ohr, um dann wie beiläufig zu bemerken: „Sagen wir, es ist mir passiert.“
Ich schluckte. Na gut. Geister mordeten, Katzen sprachen. Sei’s drum.
„Wissen die Leyener, dass sie eine sprechende Katze haben?“
„Natürlich nicht. Sonst würden sie mich verjagen.“
Das klang logisch. Normalerweise reagierten die Leute so auf alles, das ihnen unheimlich vorkam.
„Warum sprichst du dann mit mir?“, fragte ich.
„Ich hatte vor der Kirche mitbekommen, warum ihr hier seid, also dachte ich mir, ich versuche es einmal. Weißt du, es ist ganz schön schwer, sprechen zu können, aber es nicht zu dürfen. Ich
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