Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)
die Unzufriedenheit in Person“, machte er uns klar. Vielleicht lag es wie im Falle unserer Hamelner Gastgeber auch an der Kinderlosigkeit. Doch konnte das immer der Grund sein?
Meine Begegnung mit dem sprechenden Kater hingegen behielt ich erst einmal für mich. Ich wusste selbst nicht, wie ich zu dem Tier stehen sollte oder was er überhaupt war. Bevor ich mir die misstrauischen Rüffel meiner Freunde zuzog, hielt ich diesbezüglich vorerst den Mund.
Wir verabredeten uns für den nächsten Tag, um mit dem Ehepaar Joppich zu sprechen, was vielleicht die unangenehmste Aufgabe war. Darüber hinaus konnten wir uns im Sperberhof auch gleich nach einer neuen Unterkunft umsehen. So luxuriös es im Landsitz des Grafen auch anmutete, war es doch etwas zu weit entfernt vom Geschehen.
Selbstverständlich versuchte Hagen zu protestieren, aber Salandar und ich hatten schnell heraus, dass es eigentlich die Nähe der – zugegebenermaßen atemberaubenden – Grafentochter war, die er keinesfalls missen wollte. So gab er sich unseren vernünftigen Einwänden geschlagen, während wir uns in den Sesseln zurücklehnten und der zauberhaften Melodie lauschten, die Annas Violine von den oberen Stockwerken durch das ganze Haus schweben ließ.
K apitel 3
Missverständnisse
und Ratlosigkeit
1.
T räume waren immer auch Wahrheiten. Man sagte, sie seien der Spiegel der Seele, ein vernehmbares Echo aus vergangenen Tagen, die Ecken und Kanten des urinnersten Selbst abtastend. Doch konnten sie einem wie Nadeln unter die Haut fahren und dort haarfeine Narben hinterlassen – und die Unmenge an feinen Narben wird irgendwann zu einem Geflecht, das sich taub gegenüber Berührungen zeigt und bei jeder Bewegung schmerzt.
Warum mich die Schatten der Vergangenheit ausgerechnet in jener Nacht einholten, wusste ich nicht. Erst am Ende sollte es sich mir erschließen. Doch hatte ich mir bis dahin das Ausmaß dessen vorstellen können, was uns in Leyen begegnen sollte.
Vielleicht ließ mich die Begegnung mit Marius etwas ahnen ... mehr aber auch nicht.
Im Traum war ich wieder in Wallonien, und es war wieder ein heißer Juni.
Ich war in der Schweiz aus dem Dienst geschieden, da mich der kriegerische Wille und die militärische Stärke meines Heimatlandes nicht überzeugt hatten. Mit meiner Referenz nahm man mich in den preußischen Streitkräften mit Freuden auf und ließ mir den Posten eines Unterleutnants zukommen.
Ich kommandierte kleinere Einheiten, die sich mit der Vorhut der französischen Armee diverse Scharmützel lieferten. Wir wussten General Wellington und die Briten sowie die Niederländer und natürlich die hannoversche Armee in unserem Rücken. Es brachte eine gewisse grimmige Zufriedenheit mit sich, Hinterhalte zu legen und die Moral der französischen Truppen zu untergraben.
Napoleon war wie ein unwirklicher Schatten wieder aufgetaucht. Wie ein böser Traum, den man nicht loszuwerden vermag, war er von Elba schnurstracks durch Frankreich marschiert und hatte im Vorübergehen seine alte Grande Armée wieder für sich gewonnen und die französische Regierung erneut beiseite gewischt. Europa zitterte. Wir hassten den Korsen dafür, doch auf der anderen Seite hätte jeder von uns gern einen Blick hinter den Vorhang riskiert. Welch ein enormes Charisma musste eine Person besitzen, um zu all dem in der Lage zu sein?
Als uns Berichte erreichten, wir könnten bei geschicktem Vorgehen eventuell einen französischen Lieutenant-Colonel überwältigen, ließen wir uns von dem in Aussicht gestellten Ruhm und den Beförderungen verführen. Denn Macht und Einfluss waren seit jeher gängige Zahlungsmittel im Handel mit Seelen. Jeder Teufel wusste darum ...
Es lief gut für eine militärische Aktion dieser Größenordnung.
Wilhelm war ebenfalls ein preußischer Unterleutnant. Zusammen mit ihm befehligte ich eine Einheit hinterhältiger Einzelkämpfer, die „Nachtschatten“. Ausgebildet hatten wir sie nur zu dem Zwecke, in hinterlistigster Manier Chaos in den feindlichen Reihen zu stiften. So befand sich das französische Lager um Lieutenant-Colonel Loubart in hellem Aufruhr, als Wilhelm und ich mit einer Handvoll Männern das große Offizierszelt stürmten.
Wen wir nicht erwartet hatten, war Marten.
Marten war ein Teufel, der wusste, wie man um Seelen feilschte.
Noch nie hatte ich die Verwendung von Magie sehen dürfen, und manchmal wünschte ich, ich wäre davon verschont geblieben ...
Natürlich wusste jeder Soldat, dass es Launen
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