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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Leben jetzt“, bezeugte der Ältere der beiden, Calaminus. Er war sicher schon fünfzig, hochgewachsen und mit einem buschigen, ergrauenden Schnauzbart ausgestattet, ähnlich dem des wetternden Pastors Steinberg.
    Wir saßen verlegen um einen Holztisch herum und warteten auf den Kaffee, den Ferdinand Rosenthal aufbrühte.
    Schließlich räusperte Salandar sich.
    „Wir sollten langsam einmal ein paar Worte darüber verlieren, weshalb wir hier sind.“
    Calaminus nickte stramm, wie nur ein Offizier es konnte.
    „Ganz ehrlich, meine Herren: Der Graf will gerne alle Register ziehen. Wir scheinen mit unserer Arbeit auf der Stelle zu treten. Aber vielleicht beginne ich einmal ganz vorne:
    Es begann im Mai, als man Konrad Hamann, unseren örtlichen Wagner, tot am Waldrand fand. Wir konnten keine Spuren von Gewalteinwirkung feststellen bis auf ein grotesk verzerrtes Gesicht. Wir tippten auf einen Aderverschluss, was uns der Arzt auch bestätigte, und folgerten, er habe sich in seinem Todeskampf vor Schmerzen gewunden. Was der Wagner allerdings des Nachts beim Wald tat, müssen Sie schon seine Frau fragen.“
    „Aber dabei blieb es nicht?“, fragte Salandar.
    Calaminus schüttelte den Kopf, während Rosenthal uns Kaffee einschenkte und sich dann selbst auf einen der Stühle niederließ.
    „Einige Wochen später erwischte es Rudolph Joppich. Ebenfalls außerhalb des Ortes, auch mit dieser grotesken Maske von Gesicht. Der Junge war so alt wie Sie beide hier.“
    Er wies auf mich und auf Salandar.
    „Da bekommt man doch keinen Aderverschluss, und schon gar nicht einfach so.“
    „Hat er hart gearbeitet?“, fragte ich. Es kam vor, dass arg schuftende Fabrikarbeiter oder Bergleute schon in der Blüte ihrer Jahre zu regelrechten Wracks wurden.
    „Er war Bartscherer.“
    „Oh.“
    „Es war eine Tragödie. Seine Eltern betreiben den Sperberhof. Der beste Gasthof im Ort, wenn Sie mich fragen. Er hat keine Kinder. Man tuschelte, dass er vom anderen Ufer sei ...“
    Ich sah ihn fragend an.
    „Na, Sie wissen schon ... er stand auf seinesgleichen.“
    Ich nickte, verdrehte die Augen und schlürfte meinen heißen Kaffee, bevor Calaminus fortfuhr.
    „Wir haben fieberhaft überlegt. Haben jeden ausgefragt, aber niemand konnte es sich erklären. Die einzige Möglichkeit, die wir sahen, war Gift. Also verdächtigten wir erst Bloch, den Arzt und Apotheker hier. Aber er kann es nicht gewesen sein. Er hat ein Alibi – und vor allem keinen Grund. Warum sollte er jemanden wie den Bartscherer umbringen? Nur, weil der Junge in seiner Orientierung etwas gestört war?“
    „Warum nicht?“, wandte ich ein. „Derartiges Gebaren stößt gemeinhin nicht auf sehr breite Akzeptanz, wie Sie sicher wissen.“
    „Aber überlegen Sie doch: Die Neigung des Wagners galt ohne Zweifel dem Weibsvolk. Zudem sind wir völlig durcheinandergekommen mit unseren Überlegungen, als der englische Dichter tot aufgefunden wurde.“
    „Englischer Dichter?“
    „Cuthbert Gilmore war sein Name. Der Graf ist sehr freundlich dem britischen Reich gegenüber eingestellt, müssen Sie wissen.“
    „Wissen wir“, warf Hagen ein. „Wir kennen seine Dienerschaft.“
    „Nun, der Poet war im letzten Monat Gast des Grafen. Er wohnte bei einem hiesigen Kollegen, Nikolaus Bender. Die beiden hatten offenbar regen künstlerischen Austausch.“
    „Waren die auch ... vom andern Ufer?“, fragte ich.
    Wieder ein Kopfschütteln.
    „Wir denken nein. Bender ist für seine Affären bekannt – allerdings mit Angehörigen der hiesigen Damenwelt. Wir hatten kurz überlegt, ob es vielleicht Eifersucht sein könnte, die unseren Mörder antreibt. Aber da unser Arzt Bloch nicht verheiratet oder in sonstiger Weise liiert ist, können wir auch dieses Motiv wohl vergessen.“
    „Stattdessen schaltete sich der Graf ein“, übernahm Ferdinand Rosenthal das Wort. „Nach dem dritten Mord wollte er über alles informiert werden. Er war auf einmal wie besessen von der Idee, dass hier irgendetwas Okkultes am Werk sein könnte. Wir wollen das natürlich nicht ausschließen, fragen uns jedoch, was um alles in der Welt ausgerechnet hier an diesem unbedeutenden Flecken Erde irgendwelche Magier oder obskure Monstrositäten auf den Plan rufen sollte.
    Doch der Graf hielt daran fest, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging, und beschloss, jemanden zu finden, der sich dessen annehmen könnte. Darum sind Sie also heute bei uns.“
    „Drei Morde?“
    „Vier“, korrigierte

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