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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Bargeldbestände in der Rose und im Handwerkerviertel unter die Leute gebracht hatte, um Wissenswertes zu erfahren.
    Doch entgegen unseren Erwartungen war er auf weniger Seelen getroffen, denen man mittels einer kleinen finanziellen Vergütung die Gründe ihrer Verschwiegenheiten entlocken konnte, als wir geglaubt hatten.
    „Wieso bist du nicht mehr im Freudenhaus?“, fragte Hagen.
    „Erstens, junger Freund“, erwiderte Salandar, „ist es noch viel zu früh am Tag, um dort ernsthaft lange zu verweilen. Zweitens ist dort nicht gerade Festtagsstimmung, seit die werte Madame Ellen verstorben ist ... oder sollte ich sagen, verstorben wurde? Drittens war ich gestern schon ausgiebig dort, sodass man mir mittlerweile als freundlich gesinntem und investitionsfreudigem Kunden gegenübertritt.“
    „Ist ja schon gut“, winkte Hagen ab. „Bitte keine Details in dieser Richtung. Erzähl uns lieber, was du erfahren hast!“
    „Also schön. Der Wagner war zum Zwecke der Befriedigung seiner fleischlichen Gelüste offenbar nicht nur Gast in der Rose.“
    „Es gibt also noch ein zweites ... wie sagt man ... Etablissement?“
    „Nein.“
    „Sondern?“
    „Eine handfeste Affäre.“
    Das war sonst der Moment in Salandars Ausführungen, in dem er meine völlige Aufmerksamkeit hatte, aber eine Erscheinung in meinem Augenwinkel lenkte mich ab.
    „Marius“, rief ich. „Leute heimlich zu belauschen, ist ein Verhalten, das sich nicht ziemt.“
    Verdutzt sahen mich meine Freunde an, standen wir doch an der Wand eines Ziegenstalls, etwas abseits der Wohnhäuser im frischen Schlamm des Oktoberregens, den die vergangene Nacht gebracht hatte.
    „Spinnst du?“, wollte Hagen wissen, doch er wurde sogleich unterbrochen.
    „Schon gut.“
    Der braungetigerte Kater sprang vom Dach des Stalls auf einen Zaunpfosten direkt neben dem kleinen Stall. Eine grasende Ziege nahm eine Sekunde lang Notiz von dem Tier, das offensichtlich nicht die für seine Art üblichen Geräusche machte, senkte dann aber wieder den Kopf und biss herzhaft in ein feuchtes Büschel grüner Halme.
    „Die Katze spricht“, stellte Hagen offensichtlich erschrocken fest.
    „Kater“, berichtigte ich.
    „Was?“
    „Das ist ein Kater.“
    „Schon in Ordnung“, meinte Marius, dessen topasfarbige Katzenaugen aufmerksam auf Salandar gerichtet waren. „Meine Art nennt man ja im weitesten Sinne Katze.“
    „Ja“, bestätigte Hagen, offensichtlich verwirrt. „Aber für gewöhnlich sprechen Katzen nicht.“
    „Ich offensichtlich schon“, sagte Marius und an Salandar gewandt: „Was Sie wohl gar nicht zu verwundern scheint, Artifex Magicae.“
    Salandar trug eine Miene zur Schau, die ich als an der Sache interessiert interpretierte.
    „Der Kater ist belesen“, stellte er fest.
    „Nein“, antwortete der. „Ich habe mich eine Weile in Berlin herumgetrieben und bin nicht dumm, Salandar.“
    Im letzten Wort schwang eine nahezu überlegen anmutende Bedrohlichkeit mit.
    „Leugnen hat nicht viel Zweck“, fuhr der Kater fort. „Wieso sollte man sonst einen derart seltsamen Namen annehmen und in wallenden Gewändern herumlaufen?“
    „Das finde ich jetzt sehr interessant“, mischte Hagen sich ein. „Erzähl doch mal ein wenig aus Berlin!“, forderte er Marius auf.
    „Nein, es reicht“, entschied Salandar und wirkte dabei, als müsse er sich geschlagen geben. „Ich erzähle euch heute Abend, was ihr wissen wollt.“
    „Hört, hört! Das ist ein Wort.“
    „Versprochen!“
    Marius blinzelte.
    „Aber dafür hältst du jetzt die Klappe, Katze!“
    „Kater“, korrigierte Marius.
    „Hm?“
    „Ich dachte, ihr hättet euch auf den korrekten Begriff geeinigt.“
    Salandar stöhnte.
    „Na gut: Kater. Allerdings frage ich mich, warum Lucien dich kennt.“
    „Wir haben uns gestern getroffen“, flötete Marius.
    „Aha. Warum wissen wir das nicht?“
    Das war eine dumme Situation.
    „Weil ich zuerst sehen wollte, ob man Marius trauen kann. Er hat angeboten, sich ebenfalls mit der Angelegenheit zu befassen“, sagte ich frei heraus.
    „Was wäre gewesen, wenn man ihm nicht hätte trauen können?“
    „Hätte ich ihn wohl bald über den Haufen geschossen“, äffte ich Salandars Tonfall nach.
    „Oh“, bemerkte Marius kleinlaut.
    „Also, Kater“, wandte ich mich an das Tier. „Was hältst du von einem Handel, den wir nun auch zu viert abschließen können?“
    Der Kater legte interessiert den Kopf schief, und ich fuhr fort: „Wir arbeiten zusammen, klären

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