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Lange Finger - flinke Beine

Lange Finger - flinke Beine

Titel: Lange Finger - flinke Beine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Achselzucken, eine bedauernde Handbewegung. »Aber bedeutet nicht das ganze Leben ohnehin Gefahr? Fürchtet man sich nicht ständig vor Ereignissen, die nicht eintreten müssen, aber können? Man hat Angst, seine Stellung zu verlieren. Man hat Angst um irgendwelche lieben Menschen. Man ängstigt sich vor schlimmen Krankheiten, vor einer Inflation oder einem Krieg. Wohin man auch blickt, von überall drohen Gefahren. Kommt es da wirklich noch auf eine mehr oder weniger an?« Bertins Lächeln verstärkte sich.
    »Madame, ich will trotzdem versuchen, Ihnen Mut zu machen. Sobald ich Ihnen die Kopie übergeben habe, werde ich für längere Zeit Paris den Rücken kehren.«
    Er legte das Bild in die Brieftasche zurück und steckte diese ein.
    Chantal Chatalain stand wieder am Fenster und hatte ihren Kopf gegen die Scheibe gelegt. Ohne ihn mit seinen Einzelheiten wahrzunehmen, sah sie in den Tag hinaus. Sie nahm auch die Kühle des Glases nicht wahr.
    Noch vor einer halben Stunde war sie eine junge Frau ohne wesentliche Sorgen gewesen. Ein Mensch, vom Schicksal auf einen Platz gestellt, der es ihm erlaubte, unbeschwert und ohne Furcht vor dem nächsten Tag zu leben.
    Und nun das...
    Aus — alles vorbei!
    Alles vorbei? War wirklich alles vorbei?
    Sie würde nie wieder spielen!
    Das heißt, würde sie das können? Ob man ihr das erlaubte?
    Sie schuldete Trévert fast vierzigtausend Franc. Was wäre... nein, diese Überlegung war so absurd, daß sie keinen Gedanken mehr daran verschwenden brauchte. Maurice war keiner von den Großherzigen, die verzeihen konnten... Obwohl... Wie würde er sich wohl diesem Detektiv gegenüber verhalten?
    Warum konnte ihr Trévert nicht helfen?
    Sollte sie ihn anrufen?
    Mußte er nicht einfach ihr Verbündeter sein?
    Georges Bertin blieb gelassen.
    Er ließ sie schweigen und nachdenken. Dabei hätte er viel dafür gegeben zu erfahren, was in ihrem Kopf vorging. Er wußte um die Gefährlichkeit seines Vorhabens und dessen schwache Stellen. Und im Inneren ärgerte er sich, daß er den Ort Mentone erwähnt hatte. Denn genau dort, bei seinem ehemaligen Schulfreund Albert Merville, gedachte er, drei Monate Ferien zu machen.

    Chantal kehrte dem Fenster den Rücken zu, ohne ihren Standort zu verändern.
    »Wie soll es weitergehen?«
    »Am Freitag tagt im Hotel Excelsior die Verlegerschaft. Da Monsieur Chatalain dem Vorstand angehört, dürfte es als sicher anzusehen sein, daß er an diesem Tag kaum Zeit hat für andere Dinge. Ich habe deshalb den Termin unserer kleinen Transaktion auf diesen Tag gelegt.«
    »Und wo?« fragte Chantal erstickt.
    »Aus vielerlei Gründen entschied ich mich für eine Adresse, die mir persönlich als die zuverlässigste erscheint: meine Wohnung!« Bertin legte einen Zettel auf den Tisch. »Ich habe die Adresse hier aufgeschrieben. Es ist ein sehr gemütliches Häuschen im 18. Bezirk. Und damit Sie sehen, daß mir Stil nicht restlos abgeht, erwarte ich Sie am Freitag um 17 Uhr zu einem exquisiten Imbiß. Bei dieser Gelegenheit dürfen Sie mir dann das Kollier übergeben. Ich wiederhole noch einmal: Freitag, 17 Uhr. Sollten Sie mich umsonst warten lassen, darf ich das so auffassen, daß Sie nichts gegen meinen ehrlichen Bericht einzuwenden haben.«
    Chantal sah ausdruckslos zu, wie sich Bertin erhob und wie er sich verbeugte.
    »Madame, es war mir ein wirkliches Vergnügen, Sie kennenzulernen.« Und ironisch: »Darf ich Sie noch im Namen der Rosen darauf hinweisen, daß auch Blumen Flüssigkeit zum Leben brauchen.« Eine weitere Verbeugung: »Bis Freitag, Madame!«
    Nachdem die Tür hinter Bertin zugefallen war, schloß Chantal die Augen und atmete tief durch. Sie durfte jetzt auf keinen Fall die Nerven verlieren. Zuviel stand für sie auf dem Spiel.
    Bleich, mit steinernen Gesichtszügen, ging sie zum Telefon.
    Die Rechte schon auf dem Hörer, zögerte sie noch einmal kurz.
    »Es gibt keinen anderen Weg...«, murmelte sie dann. Nach dem dritten Rufzeichen meldete sich eine weibliche Stimme.
    Chantal nickte.
    »Hier spricht Chantal. Ich muß Monsieur Trévert sprechen!«
    »Gil ist gerade in einer Besprechung.«
    »Es ist wichtig, Arlene, und es eilt!«
    »Gut, ich hole ihn, warten Sie, Madame!« sagte Arlene, Trfeverts Freundin.
    Chantal erschien das Warten endlos, und als sich Trévert meldete, dünkte es ihr, als seien Stunden vergangen, dabei waren es nur knappe drei Minuten gewesen.
    »Madame, was kann ich für Sie tun?«
    »Gil, ich muß Sie dringend sprechen. Es ist

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