Lange Finger - flinke Beine
halbes Pfund Käse...«
»Von Ihrer Spezialsorte?«
»Ja, bitte. Etwas kalten Braten und zwei Flaschen 67er von meiner Hausmarke.«
»Ist notiert! Ich habe gerade Hummer frisch hereinbekommen. Wie wär’s damit?«
»Ausgezeichnet. Für zwei Personen!«
»Ich hoffe doch, daß es nichts Ernstes ist, Monsieur Bertin?« Garotte lachte glucksend.
»Nein, nein. Aber wenn es mal soweit ist, das verspreche ich Ihnen, liefern Sie die Zutaten.«
»Ich werde Sie beim Wort nehmen. Bei diesem Versprechen wünsche ich mir direkt, daß Sie recht oft heiraten.« Und wieder lachte er. »Wann wollen Sie die Sachen zugestellt haben?«
»Mein Gast kommt um 17 Uhr. Wäre es möglich, daß Sie es bis 16 Uhr 30 liefern?«
»Geht in Ordnung. Ich werde es Ihnen höchstpersönlich bringen, Monsieur Bertin.«
»Ich danke Ihnen, Monsieur Garotte.«
Georges Bertin pfiff die Melodie genau an der Stelle weiter, wo er sie vorhin abgebrochen hatte. Sorgfältig und mit Geschmack deckte er den kleinen Tisch am Fenster für zwei Personen. Und als er nicht mehr pfiff, lächelte er stillvergnügt vor sich hin. Seine Vorbereitungen forderten nachgerade dazu heraus, daß er an die aufregende Verfolgungsjagd zurückdachte. Und daran, wie der Sportwagen mit dem interessanten Inhalt, den er schon verloren glaubte, plötzlich wieder vor ihm aufgetaucht und keine hundert Meter von ihm entfernt auf einen Parkplatz gerollt war. Er erinnerte sich an das ernste Gesicht von Chantal Chatalain und an die verschlagene Visage dieses Trévert...
Freitag, 16 Uhr 40.
Langsam scherte der weiße Alfa Romeo aus und bog in die Rue Aumure im 18. Bezirk ein. Ein Mann saß am Steuer, eine verschleierte Frau neben ihm.
»Wir sind zu früh«, sagte die Frau mit einer Stimme, die von unterdrücktem Entsetzen beherrscht war.
»Wenn er Sie um fünf erwartet, wird er auch jetzt schon da sein. Sicher mitten in großen Empfangsvorbereitungen!« Es klang höhnisch und zynisch zugleich.
Der Wagen stoppte.
»Dort drüben, das kleine weiße Haus ist es. Nummer 42...« Der Mann drehte den Zündschlüssel herum, der Motor verstummte.
Er klappte das Handschuhfach auf und entnahm ihm ein Paar dünne schwarze Handschuhe. Während er sie überstreifte, wandte er sich seiner Begleiterin zu: »Sie sollten inzwischen den Wagen wenden, damit wir dann nicht so viel Zeit verlieren. Sie können dort drüben hinter der Omnibushaltestelle warten.« Es klang kalt, bar jeglichen Gefühls. Es klang, als wolle er einen Brief abgeben oder jemandem aus-richten, daß der Wagen repariert sei.
Das Zufallen der Autotür empfand die Frau als Explosion. Sie schmeckte Blut auf der Zunge, so heftig hatten sich ihre Zähne in die Oberlippe gegraben. Sie stieg aus und ging um den Wagen herum. Dabei mußte sie sich an der Motorhaube abstützen, weil sie befürchtete, ihre Beine könnten ihr den Dienst versagen. Mit zitternden Händen startete sie den hochmotorigen Wagen...
Freitag, 16 Uhr 46.
Der Mann hatte das kleine weiße Haus mit den vielen Blumen vor den Fenstern erreicht.
Die Haustür war unverschlossen und ließ sich ohne das geringste Geräusch öffnen.
Der fensterlose Hausflur wurde durch zwei alte Kutscherlampen erleuchtet.
Bewegungslos lauschte der ungebetene Besucher in die ihm fremde Umgebung. Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht, als er der Tiefe seiner Jacke einen langläufigen Revolver mit aufgesetztem Schalldämpfer entnahm.
Da...
Hinter der linken Tür hatte er ein Geräusch gehört. Es klang wie Klirren von Flaschen.
Der Rest lief blitzschnell ab und erinnerte an gleiche Szenen in Hunderten (oder Tausenden??) von guten und schlechten Kriminalfilmen. Der Eindringling drückte die Klinke herunter und gab der Tür einen Fußtritt.
»Hallo, da sind Sie...«
Weiter kam der Mann nicht, der der Tür zuerst den Rücken zugedreht und sich nun umwandte.
Zwei Projektile aus der großkalibrigen Waffe verwandelten sein fröhliches Gesicht in ein zuerst erstauntes und dann in ein verständnisloses. Das entsetzte »Nein!!«, das er rufen wollte, kam nicht mehr über seine Lippen. Er fiel nach hinten über. Die beiden Weinflaschen entglitten seinen Händen und rollten davon.
Freitag, 16 Uhr 52.
Auf der Polizeistation von Clignancourt klingelte das Telefon. »Ein Mordversuch? Wo, Monsieur?« fragte Polizeisergeant Pierre Tratou und winkte Inspektor Martain zu, der gerade den Raum verlassen wollte.
»Ich notiere. Rue Aumure 42. Bitte, rühren Sie nichts an, wir sind in fünf Minuten
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