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Lange Finger - flinke Beine

Lange Finger - flinke Beine

Titel: Lange Finger - flinke Beine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ecke
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Tanken in München noch anhielt, nickte er großzügig, als ihn ein junger Mann um Mitnahme bat. Ein Franzose, wie er bald feststellen konnte. Noch genauer: ein Franzose mit so gut wie keinen Deutschkenntnissen.
    »Ich Hannover, s’il vous plaît, ich mit?«
    Bis Ulm rauchte der Anhalter von der Seine (»ich Paris!«) 13 Zigaretten, was Theos Reisevergnügen merklich beeinträchtigte. Außerdem war Gérard (»ich Gérard Moutier!«) ein äußerst zappeliger Fahrgast. Ständig hatte er was in seinem Rucksack zu kramen, zu summen, zu knüllen und an seinen Schuhbändern zu nesteln. Zwischendurch überhäufte er Theo mit französischen Wortkaskaden, von denen der Schneidermeister so gut wie nichts verstand. So steuerte Theo zur Unterhaltung insgesamt ein »Ja« und drei freundliche Nicker bei. Und er war gar nicht böse, als sein französischer (?) Fahrgast während einer Kaffeepause im Restaurant Aichen eine anscheinend bessere oder auch schnellere Mitfahrgelegenheit wahrnahm.

Der zweite

    Den zweiten Anhalter ließ Theo in Pforzheim zusteigen, wo er sich ein bißchen die Füße vertrat.
    Wieder handelte es sich um einen jungen Mann. Diesmal einen mit Seesack und Gitarre. Ganz plötzlich stand er vor ihm, verbeugte sich kurz und strahlte ihn an.
    »Ja?« fragte Theo überflüssigerweise.
    »Ich möchte gern nach Hamburg. Könnten Sie sich überwinden, mich auf Ihrem Trip nach Norden mitzunehmen?«
    Theo Klinger grinste. Doch bevor er zu einer Erwiderung kam, fuhr der junge Mann mit Seesack und Gitarre fort: »Sie können es ohne Besorgnis tun. Ich stamme aus einem guten Haus, wurde im christlichen Glauben erzogen und wasche mich täglich dreimal.«
    »Für ein Stückchen könnte ich mich schon überwinden«, sagte Theo.
    »Und wie groß wäre das Stückchen?«
    »Es reicht genau bis zum Autobahnrasthaus Kassel. Dort habe ich mir eine Hängematte für die Nacht bestellt.«
    »Okay, Sir, dann schlafe ich unter Ihrem Bett und beteilige mich als Gegenleistung am Frühstück. Ich bin sicher, daß Sie ungern allein frühstücken, stimmt’s?«
    »Stimmt nicht, denn ich bin ein ausgesprochener Morgenmuffel.«
    »Wie mein Onkel, der Großherzog... Wir nannten ihn natürlich nur aus Jux so. Einmal, weil er Herzog hieß, und zum anderen, weil er zwei Meter sieben maß. Das war für uns Kinder eine Art Eiffelturm auf Beinen.«
    »Nun, immerhin hat der Eiffelturm ja auch Beine.«
    »Das schon«, lächelte der »Neffe« vom Großherzog, »aber keine mit Frostbeulen!«
    »Dafür welche mit Rostbeulen!«
    »Es scheint, ich bin Ihnen nicht gewachsen. Trotzdem werde ich Ihre Einladung bis Kassel annehmen.«
    »Na gut, dann steigen Sie ein. Als Fahrpreis verlange ich ein fröhliches Ständchen auf Ihrer Gitarre.«
    »Bekommen Sie! Inklusive meisterlicher Tenorstimme!«

    Der junge Mann war ein blendender Unterhalter und ein guter Gitarrenspieler dazu. Über das Ziel seiner Reise erzählte er:
    »Im Grunde genommen bin ich ein armer Teufel, den das böse elterliche Schicksal in die juristische Fakultät getrieben hat. Dabei würde ich lieber zigeunern.«
    »Was verstehen Sie unter zigeunern?« wollte Theo wissen. »Heute hier, morgen dort. Ich bin einmal sieben Wochen lang quer durch Irland mit einem Pferdewagen gezogen. Es war wunderbar... Ich bin froh, daß ich kein Chinese bin.«
    »Was hat ein Chinese mit Irland zu tun?«
    »Könnten Sie sich einen Chinesen auf einem Pferdewagen quer durch Irland vorstellen? Ich nicht! Und ich schwöre Ihnen, Sir, ich bin auch nie einem begegnet. Ist das kein Grund, keiner sein zu wollen?«
    »Und diesmal? Ich habe Sie unterbrochen.«
    »Ich habe die Einladung zu einem Segeltörn angenommen. Kostet mich nichts, und ich lerne ein Stück Mittelmeer kennen.«
    »Ist es eine größere Jacht?«
    »Ja. Ein Kahn mit zwölf Kojen. Liegt in Travemünde vor Anker.«
    »Eine ziemlich weite Reise von Travemünde ins Mittelmeer.«
    »Ja. Es geht durch zwei Kanäle. Aber ich habe genügend Zeit. Und wohin wollen Sie?«
    »Ich fahre auf die Insel Amrum.«
    »Ach du liebes bißchen, das ist ja trostlos.«
    »Wann waren Sie das letzte Mal dort?«
    »Noch nie!«
    »Und warum dann eine solche Beurteilung?«
    »Ich hasse kleine Inseln.«
    »Amrum ist das letzte wirkliche Urlaubsparadies. Sie müssen weit reisen, um noch einmal eine solche Geruchsmischung von Sand, See und Kiefern zu finden. Noch nie was vom Kniepsand gehört?«
    »Nö! Was ist das?«
    »Sie sollten, statt zum Mittelmeer, nach Amrum reisen, um den

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