Lange Finger - flinke Beine
Zähneknirschen. Daran änderte auch die Zunge nichts, die ihm das Mädchen während eines kurzen »Rückblicks« entgegenstreckte.
Theo zwang sich zur Wiederaufnahme der guten Laune, klemmte sich hinter das Steuer und fuhr weiter. Und tatsächlich, nach einigen Kilometern schien er nur noch den heiteren Aspekt der traurigen Angelegenheit zu sehen.
Er konnte ja nicht ahnen, daß er geradewegs in die dicksten Unannehmlichkeiten kutschierte...
Die Razzia
Waren Theo Klinger schon bald hinter Frankfurt die zahlreichen Polizeifahrzeuge aufgefallen, so schien es ihm jetzt, als würden es immer mehr, je weiter nördlich er kam. Und dann sah er schon von weitem die vielen blinkenden Lichter.
Polizeikontrolle!
Ebenso wie die Wagen vor ihm ging auch er mit der Geschwindigkeit herunter. Bald rollten sie nur noch im Schrittempo.
Es war die Zeit, da das Zwielicht der Dämmerung in die abendliche Dunkelheit übergeht. Das Licht von Scheinwerfern, Stoppleuchten, herumspringenden Lichtkegeln von Handscheinwerfern und das stete Blinken der Polizeilampen vereinten sich zu einer (wie es Theo in diesem Moment erschien) bedrohlichen Illumination.
Der dritte Wagen vor ihm durfte passieren, ebenso der zweite und sein Vordermann, ein kleiner Fiat, den nur noch die Hoffnung zusammenzuhalten schien, so verrostet sah er aus. Und dann stieß Theo eine Verwünschung aus, als sich ihm die rotleuchtende Kelle entgegenstreckte.
Er kurbelte das Fenster herunter und registrierte die nicht unfreundliche, dafür jedoch bestimmte Aufforderung: »Bitte fahren Sie rechts ran!!«
Theo Klinger tat es.
Obwohl er ein blütenweißes Gewissen hatte, folgte er der Aufforderung mit äußerst gemischten Gefühlen. War er zu schnell gefahren? Nein, auf keinen Fall! Seine Lichter brannten auch alle — oder? Wie sah es hinten aus? Aber das war ja Unsinn, um einen Lichtsünder zu stellen, bedurfte es nicht des Einsatzes von zwei Dutzend Beamten.
Eine neue Stimme, eine neue Aufforderung. Nach wie vor freundlich und bestimmt:
»Bitte, steigen Sie aus, bitte Ihre Papiere. Paß, Führerschein und Kraftfahrzeugschein.«
Während Theo Klinger nach den gewünschten Papieren Fingerte, fügte der Beamte hinzu: »Es wird eine Weile dauern, da wir einen Blick in Ihren Wagen werfen möchten.« Noch bevor Theo etwas erwidern konnte, stürzten sie sich zu dritt über seinen Opel.
Die Entschiedenheit, mit der das geschah, verwirrte und erschreckte ihn so sehr, daß er nicht imstande war, etwas zu erwidern. Mit hängenden Armen stand er da und starrte auf die rückwärtigen Körperpartien der Männer, deren Oberkörper da im Scheinwerferlicht in seinem Auto werkten. Wenn die »paradiesischen Zeiten« so weitergingen, würden seine Innereien wie Herz, Galle und Magen wohl bald zu rebellieren beginnen.
Von irgendwoher drang lautes Fluchen und Schimpfen an sein Ohr. Es mußte von einem Kraftfahrer kommen, der wie er zum Zwecke der Untersuchung herausgefiltert worden war. Irgendwie beneidete ihn Theo um die Gabe, seinem Ärger Wort und Stimme zu geben.
Und dann platzte sozusagen die Bombe.
Im Zeitlupentempo richtete sich der Beamte, der die Vordersitze »bearbeitete«, auf. Sein Gesicht spiegelte ein triumphierendes Grinsen wider, während seine Hände ein Päckchen hielten. Es bestand aus einem übereinandergeschlagenen Tuch.
»Es lag unter dem Nebensitz!« freute sich der »Entdecker« mitten hinein in das Gesicht jenes Mannes, der hier das Sagen hatte. Und wie ein Zauberkünstler schlug er dann die vier Ecken des grauen Wollfetzens auseinander...
Das, was Theo auf Anhieb erkannte, war eine Pistole. Daß es eine Waffe vom Kaliber 7,65 war, erfuhr er später. Der Schreck beengte seine Atemwege. Doch als er erfuhr, um was es sich bei der zweiten Sache in jenem unheimlichen Päckchen handelte, Haschisch, schüttelte ihn Grausen und Entsetzen. Und das in doppelter Hinsicht, denn die Polizei zeigte sich nicht geneigt, ihm seine Ahnungslosigkeit abzunehmen. Und Kühle und Verachtung lösten die vorhergehende Höflichkeit ab.
Entweder der, oder der, oder die...
Drei Stunden benötigte der ehrbare Schneidermeister Theo Klinger, um die Polizei von seiner Unschuld zu überzeugen.
Und schließlich ergab sich für alle nur eine Möglichkeit: Einer der Anhalter mußte das Päckchen unter den Sitz deponiert haben. Nur — welcher?
War es der Franzose? War es der Gitarrenspieler mit der guten Kinderstube? Oder waren es die beiden im Lederzeug?
Doch da hatte der, der wohl
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