Lange Finger - flinke Beine
das höchste Gehalt bezog, eine Idee: »Sie«, sagte er und meinte damit Theo, den Eingeschüchterten, »fahren jetzt weiter wie geplant. Wie geplant stellen Sie Ihren Wagen auf dem Parkplatz vor dem Rasthaus ab, und wie geplant beziehen Sie Ihr bestelltes Zimmer!«
»Und was mache ich, wenn das Zimmer inzwischen vergeben wurde?«
»Bis Sie dort sind, haben wir mit dem Chef telefoniert. Sie kriegen Ihr Zimmer, so oder so!«
»Gut, und dann?«
»Dann läuft alles seinen Gang. Wenn der betreffende Gauner sein Zeug wiederhaben will, muß er heute nacht in Ihren Wagen einbrechen. Natürlich werden wir es nicht so weit kommen lassen... Aber es ist die einzige Möglichkeit, das Vögelchen einzufangen. Alles klar, Herr Klinger?«
»Einen unbeschwerten Urlaub wollte ich machen... Ich träumte von paradiesischen Zeiten... Und nun das!«
»Reut es Sie, daß Sie der Polizei helfen?« fragte der höhere Beamte, und es klang richtig streng.
»Ich rede von mir. Von meiner Dummheit, Anhalter mitzunehmen.«
»Das ist was anderes. Nun zischen Sie schon ab, sonst wird es wirklich zu spät...«
Mit über drei Stunden Verspätung gelangte Theo Klinger zu dem Rasthaus, und er atmete erleichtert auf, als er erfuhr, daß sein Zimmer nach wie vor reserviert war.
Er aß noch eine Kleinigkeit, blätterte lustlos in einer Illustrierten und wartete.
Er wartete, daß die Zeit verging.
Er legte sich auf sein Bett. Er stand wieder auf. Er ging zum Fenster und versuchte, Verdächtiges zu erkennen.
Er sah seinen Wagen stehen, noch immer auf demselben Platz und noch immer mit geschlossenen Türen. 3 Uhr früh. »Wäre ich ein Bäcker, müßte ich jetzt aufstehen!« sagte Theo zu sich, und er schielte sehnsüchtig auf das einladende Weiß des Hotelbettes. Aber nein, er mußte wach bleiben.
Es war kaum noch Betrieb auf dem Parkplatz. Wo nur die Polizei blieb??
Da... verdammt noch mal... da war doch was... Da kroch doch einer durch die Autoreihen. Die Beleuchtung war so miserabel, daß man beim besten Willen keine Einzelheiten erkennen konnte.
War es ein Mann oder eine Frau?
Auf jeden Fall war es ein Schatten... Sollte er das Fenster aufreißen und hinausschreien, daß der Verbrecher da
war?
Theo schalt sich selbst »dämlich« und ließ das Fenster zu. Der Schatten näherte sich zweifellos seinem Wagen. Theo überlegte zum... zigsten Male, ob er vielleicht irgendwas von Bedeutung darin liegen hatte. Na, den Beutel mit den Strandschuhen und den Holzpantinen würde ja keiner stehlen — oder?
Jetzt... jetzt war er direkt neben seinem Wagen. Und er ging auch nicht weiter... Haha, jetzt hatten sie ihn... wo blieb die Polizei? Wartete sie, bis der Halunke sein Schloß demoliert hatte? Polizei... auf wen war heute noch Verlaß? »Auf wen?« brüllte... nein, nicht brüllte, er rief es laut. Und dann hätte er am liebsten einen lauten Schluchzer von sich gegeben. Einen Freudenschluchzer. Drei Scheinwerfer waren aufgeflammt. Der Parkplatz sah plötzlich beleuchtet aus, als habe man vor, auf ihm einen Spielfilm zu drehen. Und Polizisten tummelten sich, wohin er auch sah. Ach ihr lieben, kleinen, vielen Polizisten, jubilierte Theo, der Schneidermeister. Und er stürzte aus dem Zimmer hinaus, durchs Treppenhaus, durch die Vorhalle hinaus auf den Parkplatz.
»Ja, das ist einer von denen!« schrie er dann mit kräftiger Stimme. Und er leistete sich den Luxus, das hämische Grinsen des Gauners ebenso hämisch zurückzugrinsen. Wäre doch gelacht...
Und das alles mit seiner Hilfe. Er würde es der ganzen Welt verkünden: Die Schneidermeister auf dem Weg nach Norden waren die besten!
Die kriminalistische Schlußfrage:
Wen nahm die Polizei auf dem Parkplatz in Empfang?
Den Franzosen? Den Gitarrenspieler? Oder den männlichen Teil des Pärchens?
Die Geschichte vom beinahen Ableben einer glücklichen Witwe
Der elegant gekleidete Mann unter dem Schirm verfluchte leise die telefonische Aufforderung, die letzten dreihundert Meter zu Fuß zu gehen. Überhaupt war Belcrofts Benehmen am Telefon äußerst dubios gewesen. Schon wie er gesprochen hatte, die Art, sich auszudrücken — es hatte etwas Geheimnisvolles an sich. Oder besser: etwas Nebulöses. Der Mann übersprang eine Pfütze, die sich durch das Senken mehrerer Steinplatten gebildet hatte. Dabei streckte er den Schirm von sich wie einer, der über ein schmales Brett balanciert.
Seine Blicke streiften das von vielen Treffern ramponierte Emailschild nur kurz.
»B. C. Belcroft, Notar« war
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