Lange Zähne
d'amour!“*
*»Mach's härter, mein kleines
Liebes-Schwein!»
Sie wollte sich bei jemandem
beschweren, bei irgendwem. Sie haßte es, allein aufzuwachen - und allein
einzuschlafen, was das betraf. Sie hatte in fünf Jahren mit zehn verschiedenen
Männern zusammengelebt. Serien-Monogamie. Es war ein Problem, an dem sie gerade
zu arbeiten begonnen hatte, bevor sie starb.
Sie stieg aus dem Bett und zog die Motelvorhänge auf.
Licht von Straßenlaternen und Neonreklamen schien ins Zimmer.
Was jetzt?
Normalerweise würde sie aufs Klo
gehen. Aber sie verspürte nicht das Bedürfnis.
Ich habe seit zwei Tagen nicht
gepinkelt. Vielleicht werde ich nie wieder pinkeln.
Sie ging ins Badezimmer und setzte
sich aufs Klo, um ihre Theorie auf die Probe zu stellen. Nichts. Sie wickelte einen
der Plastikzahnputzbecher aus, füllte ihn mit Wasser und trank ihn gierig leer.
Ihr Magen verkrampfte sich, und sie kotzte das Wasser in hohem Bogen gegen den
Spiegel.
In Ordnung, also kein Wasser. Eine
Dusche? Umziehen und ein Bummel durch die Stadt? Um was zu tun? Jagen? Der
Gedanke ließ sie erschaudern.
Werde ich Leute umbringen müssen?
O mein Gott, Kurt. Was, wenn er sich verwandelte? Was, wenn er sich schon
verwandelt hatte?
Sie zog eilig ihre Klamotten von
letzter Nacht an, griff sich ihre Reisetasche und den Zimmerschlüssel und
verließ den Raum. Im Vorbeigehen winkte sie dem Nachtportier an der Rezeption
zu, und er zwinkerte und winkte zurück. Hundert Mäuse hatten sie zu Freunden
gemacht.
Sie ging um die Ecke und die
Chestnut hinauf. Dabei widerstand sie dem Drang zu rennen. Vor ihrem Wohnhaus
blieb sie stehen und konzentrierte sich auf das Fenster ihres Apartments. Das
Licht brannte, und als sie die Ohren spitzte, konnte sie Kurt telefonieren
hören.
»Ja, die blöde Kuh hat mich mit
einem Blumentopf k.o. geschlagen. Nein, sie hat ihn nach mir geworfen. Ich bin
zwei Stunden zu spät zur Arbeit gekommen. Ich weiß nicht, sie hat irgendwas
davon gefaselt, daß sie überfallen worden wäre. Sie ist seit zwei Tagen nicht
in ihrer Arbeit gewesen. Nein, sie hat keinen Schlüssel ; ich mußte
sie mit dem Summer ins Haus lassen ...
Also habe ich ihn nicht
umgebracht. Und er hat sich nicht verwandelt, sonst hätte er nicht bei
Tageslicht zur Arbeit gehen können. Er klingt wohlauf. Sauer, aber wohlauf. Ich
frage mich, ob ich mich einfach entschuldigen und die ganze Sache erklären soll
...
»Nein«, sagte Kurt ins Telefon.
»Ich habe ihr Namensschild vom Briefkasten abgemacht. Es ist mir im Grunde
egal, sie hat sowieso nicht zu dem Image gepaßt, das ich aufbauen will. Ich habe
überlegt, mich mit Susan Badistone zu verabreden: Stanford, reiche Familie,
Republikanerin. Ich weiß, aber für solche Fälle hat Gott ja die Implantate
erschaffen
Jody drehte sich um und ging
zurück zum Motel. Sie machte einen Zwischenstopp an der Rezeption, bezahlte für
zwei weitere Tage, dann ging sie auf ihr Zimmer, setzte sich auf das Bett und
versuchte zu weinen. Aber es wollten keine Tränen kommen.
In einem anderen Leben hätte sie
eine Freundin angerufen und sich den ganzen Abend am Telefon trösten lassen.
Sie hätte eine Familienpackung Eiscreme gegessen und wäre die ganze Nacht wach
geblieben, um darüber nachzudenken, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte. Am
Morgen hätte sie sich auf der Arbeit krank gemeldet, dann hätte sie ihre Mutter
in Carmel angerufen, um sich die Kaution für eine neue Wohnung zu leihen. Aber
das war ein anderes Leben gewesen, als sie noch ein Mensch gewesen war.
Das schwache neue
Selbstbewußtsein, das sie in der letzten Nacht empfunden hatte, war weg. Jetzt
war sie nur noch verwirrt und verängstigt. Sie versuchte sich an alles zu
erinnern, was sie je über Vampire gesehen und gehört hatte. Es war nicht viel.
Sie mochte keine gruseligen Bücher oder Filme. Viel von dem, an das sie sich
erinnerte, schien falsch zu sein. Offensichtlich mußte sie nicht in einem Sarg
schlafen. Aber ebenso offensichtlich war, daß sie nicht bei Tageslicht
rausgehen konnte. Sie mußte nicht jede Nacht töten, und wenn sie jemanden biß,
mußte er oder sie sich nicht unbedingt in einen Vampir verwandeln - in ein
Arschloch vielleicht, aber nicht in einen Vampir. Doch genau betrachtet war
Kurt auch schon vorher ein Arschloch gewesen, also, wie sollte sie es wissen?
Warum hatte sie sich verwandelt? Sie würde eine Bibliothek aufsuchen müssen.
Ich muß mein Auto zurückbekommen,
überlegte sie. Und ich brauche eine neue
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