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Lange Zähne

Lange Zähne

Titel: Lange Zähne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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Wohnung. Es ist nur eine Frage der
Zeit, bevor bei Tag ein Zimmermädchen hereingestolpert kommt und mich zu Asche
verbrennt. Ich brauche jemanden, der sich bei Tag umherbewegen kann. Ich
brauche einen Freund.
    Sie hatte mit ihrer Handtasche
auch ihr Adreßbuch verloren, aber das machte eigentlich nichts. Alle ihre
Freundinnen steckten derzeit in Beziehungen, und obgleich jede von ihnen ihr
Mitgefühl wegen ihrer Trennung von Kurt ausdrücken würde, waren sie alle doch
zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um eine wirkliche Hilfe zu sein. Sie und
ihre Freundinnen standen sich nur nahe, wenn sie solo waren.
    Ich brauche einen Mann.
    Der Gedanke deprimierte sie.
    Warum läuft alles immer wieder
darauf hinaus? Ich bin eine moderne Frau. Ich kann eigenhändig Einmachgläser
öffnen und Spinnen töten. Ich kann meine Finanzen verwalten und den Ölstand an
meinem Auto prüfen. Ich kann meinen eigenen Lebensunterhalt verdienen. Das
heißt, vielleicht auch nicht. Wie soll ich meinen Lebensunterhalt verdienen?
    Sie warf ihre Reisetasche aufs
Bett, holte die weiße Bäckereitüte mit dem Geld heraus und kippte sie auf dem
Bett aus. Sie zählte die Banknoten in Bündeln, dann zählte sie die Bündel. Es
waren fünfunddreißig Bündel von je zwanzig Einhundertdollarscheinen. Abzüglich
der fünfhundert, die sie für das Hotel bezahlt hatte, verblieben beinahe
siebzigtausend Dollar. Sie verspürte plötzlich den tiefsitzenden Drang, einen
Einkaufsbummel zu machen.
    Wer immer sie überfallen hatte,
hatte gewußt, daß sie Geld brauchen würde. Es war kein Zufall gewesen, daß sie
sich verwandelt hatte. Und es war höchstwahrscheinlich auch kein Zufall
gewesen, daß er ihre Hand so liegengelassen hatte, daß sie vom Sonnenlicht
verbrannt worden war. Woher hätte sie sonst wissen sollen, daß sie vor
Sonnenaufgang ein Versteck finden mußte? Aber wenn er ihr hatte helfen wollen,
wenn er gewollt hatte, daß sie überlebte, warum hatte er ihr dann nicht einfach
gesagt, was sie tun sollte?
    Sie sammelte das Geld ein und wollte
es gerade wieder in die Reisetasche stopfen, als das Telefon klingelte. Sie
starrte es an, beobachtete, wie das orangefarbene Lämpchen im Rhythmus des
Klingelzeichens blinkte. Niemand wußte, wo sie war. Es mußte die Rezeption
sein. Nach dem vierten Läuten ging sie ran.
    Bevor sie hallo sagen konnte,
sagte eine heisere, ruhige Männerstimme: »Übrigens, du bist nicht unsterblich.
Du kannst immer noch getötet werden.«
    Es klickte in der Leitung, und
Jody legte den Hörer auf. Getötet werden, hatte er gesagt, nicht, du kannst
immer noch sterben. Getötet werden.
    Sie griff sich ihre Tasche und
stürzte hinaus in die Nacht.

 
6. KAPITEL
    Die Tiere
     
    Die Leute von der Tagschicht
nannten sie die Tiere. Der Filialleiter war eines Morgens zur Arbeit gekommen
und hatte entdeckt, wie einer von ihnen halbnackt an dem riesigen roten S des
Safeway-Schildes baumelte, während die anderen sich besoffen auf dem Dach
lümmelten und ihn mit gerösteten Marshmallows bombardierten. Der Filialleiter
hatte sie angebrüllt und sie als Tiere beschimpft. Sie hatten gejohlt und ihn
hochleben lassen, indem sie einander mit geschüttelten Bierdosen bespritzten.
    Sie waren jetzt zu siebt, seit ihr
Anführer weg war. Als sie gegen elf in den Laden kamen, setzte der Filialleiter
sie davon in Kenntnis, daß sie einen neuen Schichtleiter hätten: »Der Bursche
wird euch schon auf Trab bringen - der weiß, wie der Hase läuft, seine
Bewerbung war sieben Seiten lang.«
    Um Mitternacht saßen die Tiere an
den Kassen im vorderen Teil des Ladens und teilten über einem Karton Reddi Whip
ihren Kummer.
    »Der Teufel soll diese
Besserwisser von der Ostküste holen«, sagte Simon McQueen, der älteste. »Ich
packe wie bisher meine fünfzig Kartons pro Nacht aus, und wenn er mehr will,
dann soll er es eben selbst machen.« Simon sog etwas Stickstoffoxydol aus der
Sprühsahnedose ein und krächzte: »Der wird sich nicht länger halten wie'n Furz
in 'ner heißen Pfanne.«
    Simon war siebenundzwanzig,
muskulös und so sehnig-gespannt wie eine Banjosaite. Sein Gesicht war
pockennarbig und scharf geschnitten, gekrönt von einer riesigen Mähne braunen
Haars, das er mit einer Bandanna und einem schwarzen Stetson bändigte. Er sah
sich gern als Cowboy und Poet, dabei war er niemals auch nur auf
Revolverschußweite an ein Pferd oder ein Buch herangekommen.
    Jeff Murray, ein ehemaliger Highschool-Basketball-Star,
holte eine Dose Sprühsahne aus dem

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