Lange Zähne
Lächeln.
»Ja, Sir«, erwiderte der
Rollerbladeläufer. »Ich werde in Zukunft vorsichtiger sein.« Er erhob sich auf
die Füße und rollte langsam davon.
Tommy starrte den alten Mann an,
der sich wieder der Fütterung seiner Hunde zugewandt hatte. »Euer Majestät?«
»Oder Eure kaiserliche Hoheit«,
sagte der Kaiser. »Du bist neu in der Stadt?«
»Ja, aber ...«
Eine junge Frau in Netzstrümpfen
und roten Satin-HotPants, die hüftschwingend vorbeitrippelte, blieb vor dem
Kaiser stehen und verneigte sich leicht. »Guten Morgen, Hoheit«, sagte sie.
»Sicherheit geht vor, mein Kind«,
erwiderte der Kaiser.
Sie lächelte und trippelte weiter.
Tommy schaute ihr nach, bis sie um die Ecke verschwand, dann wandte er sich
wieder dem alten Mann zu.
»Willkommen in meiner Stadt«,
sagte der Kaiser. »Wie ist es dir bislang ergangen?«
»Ich ... ich Tommy war verwirrt.
»Wer sind Sie?«
»Der Kaiser von San Francisco,
Protektor von Mexiko, zu deinen Diensten. Croissant?« Der Kaiser hielt Tommy
eine weiße Papiertüte hin, doch Tommy schüttelte den Kopf.
»Dieser ungestüme Bursche«,
erklärte der Kaiser und zeigte auf seinen Boston Terrier, »ist Bummer. Er ist
ein kleiner Strolch, aber der beste Rattenfänger der Stadt.«
Der kleine Hund knurrte.
»Und das hier«, fuhr der Kaiser
fort, »ist Lazarus, tot aufgefunden in der Greary Street, nach einem
unglücklichen Zusammentreffen mit einem französischen Reisebus, und durch den
mystisch-heilenden Geruch von leicht angegangenem Dörrfleisch dem Tod wieder
aus den Klauen entrissen.«
Der Golden Retriever bot seine
Pfote an. Obwohl er sich ein bißchen blöd vorkam, ergriff Tommy sie und
schüttelte sie. »Freut mich, dich kennenzulernen.«
»Und du bist?« fragte der Kaiser.
»C. Thomas Flood.«
»Und das ‚C’ steht für?«
»Nun, eigentlich steht es für gar
nichts. Ich bin Schriftsteller. Ich habe das , C nur meinem
Künstlernamen vorangestellt.«
»Und du hast wohl daran getan.«
Der Kaiser machte eine Pause, um an einem Croissant zu nagen. »Also, C, wie hat
die Stadt dich bislang behandelt?«
Tommy überlegte, ob er gerade
beleidigt worden war, aber er mußte feststellen, daß ihm die Unterhaltung mit
dem alten Mann Spaß machte. Er hatte keine Unterhaltung von mehr als ein paar
Worten gehabt, seit er in der Stadt eingetroffen war. »Ich mag die Stadt, aber
ich habe einige Probleme.«
Er erzählte dem Kaiser von der Zerstörung
seines Autos, von seinem anschließenden Zusammentreffen mit Wong Eins, von
seiner überfüllten, dreckigen Unterkunft, und endete schließlich mit dem
Geheimnis um die Blumen auf seinem Bett.
Der Kaiser seufzte mitfühlend und
kratzte sich seinen strubbeligen, ergrauten Bart. »Ich fürchte, ich bin
außerstande, dir bei deinem Unterbringungsproblem behilflich zu sein ; meine Mannen und ich sind in der glücklichen Lage, die ganze Stadt unser
Zuhause zu nennen. Aber ich habe vielleicht einen Tip bezüglich einer Arbeit
für dich, und möglicherweise einen Hinweis hinsichtlich des Rätsels um die
Blumen.«
Der Kaiser hielt inne und winkte
Tommy näher heran. Tommy ging in die Hocke und spitzte die Ohren. »Ja?«
»Ich habe ihn gesehen«, flüsterte der
Kaiser. »Es ist ein Vampir.«
Tommy wich zurück, als hätte man
ihn angespuckt. Ein Floristen-Vampir?
»Nun, wenn man erst einmal den
Vampir-Teil akzeptiert hat, dann ist der Floristen-Teil nur noch ein recht
kleiner Sprung, findest du nicht auch?«
5. KAPITEL
Untot und
leicht benommen
Im Zimmer nebenan bumsten
Franzosen. Jody konnte jedes Stöhnen, jedes Kichern und jedes Quietschen der
Bettfedern hören. Im Zimmer über ihr spuckte ein Fernseher Game-Show-Geplapper
aus: »Ich nehme Perversionen für fünfhundert, Alex.«
Jody zog sich ein Kissen über den
Kopf.
Es war nicht wirklich wie
Aufwachen. Es gab kein langsames Hinübergleiten aus dem Traumland in die
Realität, keinen angenehmen Dämmerzustand des Bewußtseins im kuscheligen
Zwielicht der Schläfrigkeit. Nein, es war, als hätte jemand plötzlich die Welt
angeschaltet, volle Lautstärke, so als würde ein Radiowecker die Top-Vierzig
der nervtötendsten Hits der Wirklichkeit dudeln.
»Kriminelle Präsidenten für
einhundert, Alex.«
Jody drehte sich auf den Rücken und
starrte an die Decke. Ich hatte immer gedacht, der Tod würde das Ende von Sex
und Game-Shows bedeuten, ging es ihr durch den Sinn. Es heißt doch immer »Ruhe
in Frieden«, oder nicht?
»Vas-y plus fort, mon petite
cochon
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