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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Laurel. »Damit kann ich leben.«
    Sie ließ Dinahs Augen offen.
     
10
     
    American-Pride-Flug Nr. 29 flog durch Tage und Nächte nach Westen, von Licht in Dunkelheit, von Dunkelheit in Licht, wie durch eine gewaltige, träge wandernde Parade dicker Wolken. Jeder Zyklus war ein wenig schneller als der vorhergehende.
    Nach etwas mehr als drei Flugstunden hörten die Wolken auf – über exakt derselben Stelle, wo sie auf dem Flug nach Osten angefangen hatten. Brian wäre jede Wette eingegangen, dass sich die Front keine dreißig Zentimeter bewegt hatte. Die Great Plains lagen als stumme, beigefarbene Ausdehnung des Landes unter ihnen.
    »Keine Spur von ihnen zu sehen«, sagte Rudy Warwick. Er musste nicht näher erklären, wen er meinte.
    »Nein«, stimmte Bob Jenkins zu. »Wir scheinen ihnen entkommen zu sein, entweder im Raum oder in der Zeit.«
    »Oder in beidem«, warf Albert ein.
    »Ja – oder in beidem.«
    Aber es war nicht so. Als Flug Nr. 29 die Rockies überflog, sahen sie wieder die schwarzen Linien unter sich, die aus dieser Höhe so dünn wie Bindfäden aussahen. Sie schossen auf den karstigen, zerklüfteten Hängen auf und ab und zeichneten Muster in den blaugrauen Teppich der Bäume. Nick stand an der vorderen Tür und sah durch das darin eingelassene Bullauge. Dieses Bullauge hatte einen eigentümlich vergrößernden Effekt, und er stellte bald fest, dass er besser sehen konnte, als er eigentlich wollte. Vor seinen Augen teilten sich zwei der schwarzen Linien, rasten um einen zerklüfteten, schneebedeckten Gipfel herum, trafen sich auf der gegenüberliegenden Seite wieder, überkreuzten sich und rannten in entgegengesetzten Richtungen den gegenüberliegenden Hang hinunter. Hinter ihnen fiel der gesamte Berggipfel in sich zusammen; zurück blieb etwas, das wie ein Vulkan mit einem gewaltigen, toten Kratersee in seinem abgetrennten Gipfel aussah.
    »Jesus«, murmelte Nick und strich sich mit einer zitternden Hand über die Stirn.
    Als sie über den Western Slope Richtung Utah flogen, brach die Dunkelheit wieder an. Die Sonne warf orangefarbenen Schein über eine zertrümmerte Höllenlandschaft, die keiner von ihnen lange ansehen konnte; sie folgten einer nach dem anderen Bethanys Beispiel und zogen die Rollos herunter. Nick ging auf unsicheren Beinen zu seinem Sitz zurück und drückte die Stirn in eine kalte, klammernde Hand. Nach einem oder zwei Augenblicken wandte er sich Laurel zu, die ihn wortlos in die Arme nahm.
    Brian war gezwungen, sich alles anzusehen. Im Cockpit gab es keine Rollos.
    Das westliche Colorado und das östliche Utah fielen Stück für Stück unter ihm und vor ihm in den Abgrund der Ewigkeit Berge, Gipfel, Plateaus und Hochebenen hörten eine nach der anderen auf zu existieren, wenn die Langoliers sie von der verfallenden Substanz dieser toten Vergangenheit abschnitten, sie abschnitten und sich überschlagend in die dunklen, endlosen Gruben der Unendlichkeit stürzen ließen. Hier oben war kein Laut zu hören, und irgendwie war das am allerschrecklichsten. Das ganze Land unter ihm verschwand so lautlos wie Staubkörnchen.
    Dann kam die Dunkelheit wie eine barmherzige Tat, und eine kleine Weile konnte er sich auf die Sterne konzentrieren. Er klammerte sich mit aller Heftigkeit der Panik an sie, das einzig Reale in dieser schrecklichen Welt: Orion, der Jäger; Pegasus, das große, leuchtende Ross der Mitternacht; Kassiopeia auf ihrem Thron aus Sternen.
     
11
     
    Eine halbe Stunde später ging die Sonne wieder auf, und Brian spürte, wie seine geistige Gesundheit heftig erschauerte und näher an den Rand ihres eigenen Abgrunds schlitterte. Die Welt unter ihnen war verschwunden; vollkommen und unwiederbringlich verschwunden. Der tiefblaue Himmel war eine Kuppel über einem zyklopenhaften Ozean tiefsten, reinsten Ebenholzes.
    Die Welt war unter Flug Nr. 29 weggerissen worden.
    Bethanys Gedanken waren auch Brian durch den Kopf gegangen; wenn es zum Schlimmsten kam, hatte er gedacht, könnte er die 767 im Sturzflug gegen einen Berg prallen lassen und ihnen allen ein rasches Ende verschaffen. Aber jetzt gab es keine Berge mehr, gegen die er rasen konnte.
    Es gab keine Erde mehr, gegen die er rasen konnte.
    Was wird aus uns werden, wenn wir den Riss nicht wieder finden können? fragte er sich. Was wird passieren, wenn uns der Treibstoff ausgeht? Sag nicht, dass wir einfach bruchlanden werden, weil ich das einfach nicht glaube – man kann nicht auf nichts bruchlanden. Ich glaube, wir

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