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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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neben einem kleinen Mädchen stehen, das auf der Backbordseite auf einen Sitz gefallen war. Aber der Junge sah sie nicht an; er starrte in den rückwärtigen Teil der Kabine, und sein Kiefer hing fast bis zum Kragen seines T-Shirts herunter.
    Brians erste Reaktion war wie die von Albert Kaussner: Mein Gott, das ganze Flugzeug ist verlassen!
    Dann sah er eine Frau auf der Steuerbordseite des Flugzeugs aufstehen und in den Mittelgang treten, um nachzusehen, was da vor sich ging. Sie hatte das benommene, aufgedunsene Aussehen von jemand, der gerade aus dem Tiefschlaf gerissen worden war. Auf halbem Weg im Mittelgang verdrehte ein junger Mann im Rollkragenpullover den Hals nach dem kleinen Mädchen und betrachtete es mit ausdruckslosen, gleichgültigen Augen. Ein anderer Mann, um die Fünfzig, stand von einem Sitz in Brians Nähe auf und verharrte unschlüssig. Er trug ein rotes Flanellhemd und sah durch und durch bestürzt aus. Sein Haar stand wirr und ungebändigt wie die Mähne eines verrückten Wissenschaftlers vom Kopf ab.
    »Wer schreit da?« fragte er Brian. »Ist das Flugzeug in Schwierigkeiten, Mister? Sie glauben doch nicht, dass wir abstürzen, oder?«
    Das kleine Mädchen hörte auf zu schreien. Es mühte sich von dem Sitz auf, in den es gestürzt war, und wäre beinahe in die andere Richtung gestolpert. Der Junge fing es gerade noch rechtzeitig; er bewegte sich benommen und langsam.
    Wo sind sie hin? dachte Brian. Großer Gott, wohin sind sie alle verschwunden?
    Aber nun trugen seine Füße ihn zu dem Teenager und dem kleinen Mädchen. Dabei kam er an einem weiteren Passagier vorbei, der immer noch schlief, ein Mädchen von etwa siebzehn Jahren. Sie hatte den Mund zu einem unschönen Gähnen aufgerissen und atmete in gleichmäßigen Zügen.
    Er kam zu dem Teenager und dem Mädchen im rosa Kleid. »Wo sind sie denn, Mann?« fragte Albert Kaussner. Er hatte dem schluchzenden Kind einen Arm um die Schultern gelegt, sah es aber nicht an; sein Blick wanderte ruhelos in der fast menschenleeren Hauptkabine umher. »Sind wir gelandet, während ich geschlafen habe? Sind sie ausgestiegen?« »Meine Tante ist weg!« schluchzte das kleine Mädchen.
    »Meine Tante Vicky! Ich dachte, das Flugzeug wäre verlassen!
    Ich dachte, ich wäre die einzige! Wo ist meine Tante, bitte? Ich will zu meiner Tante!« Brian kniete sich einen Augenblick neben sie. Er bemerkte die Sonnenbrille, die tastenden Hände und begriff sofort, dass das Mädchen blind war. »Alles in Ordnung«, sagte er. »Es ist alles in Ordnung, junge Dame. Wie heißt du?« »Dinah«, schluchzte sie. »Ich kann meine Tante nicht finden.
    Ich bin blind und kann sie nicht sehen. Ich bin aufgewacht, und ihr Sitz war leer …« »Was geht hier vor?« fragte der Mann im Rollkragenpullover.
    Er sprach, ohne auf Brian und Dinah zu achten, über Brians Kopf hinweg zu dem Jungen im T-Shirt und dem älteren Mann im Flanellhemd. »Wo sind alle anderen?« »Es ist alles in Ordnung, Dinah«, wiederholte Brian. »Es sind noch andere Menschen hier. Kannst du sie hören?« »J-ja. Ich kann sie hören. Aber wo ist Tante Vicky? Und wer ist getötet worden?« »Getötet?« fragte eine Frau schneidend. Es war die von der Steuerbordseite. Brian blickte kurz auf und sah, dass sie jung, dunkelhaarig und hübsch war. »Ist jemand getötet worden? Sind wir entführt worden?«
    »Niemand ist getötet worden«, sagte Brian. Immerhin sagte er etwas. Sein Verstand fühlte sich unheimlich an: wie ein Boot, das sich von seiner Vertäuung gelöst hat. »Beruhige dich, Kleines.«
    »Ich habe sein Haar gespürt!« beharrte Dinah. »Jemand hat ihm das Haar abgeschnitten!«
    In Anbetracht aller Vorkommnisse war das einfach zu sonderbar, und Brian ging gar nicht weiter darauf ein. Auch ihm kam plötzlich der Gedanke mit fröstelnder Intensität: Wer zum Teufel flog das Flugzeug?
    Er stand auf und wandte sich an den älteren Mann im roten Hemd. »Ich muss nach vorne«, sagte er. »Bleiben Sie bei dem kleinen Mädchen.«
    »Gut«, sagte der Mann im roten Hemd. »Was geht hier vor?«
    Ein Mann von etwa fünfunddreißig Jahren in geplätteten Jeans und Van-Heusen-Hemd gesellte sich noch zu ihnen. Er wirkte, anders als die anderen, völlig ruhig. Er nahm eine Hornbrille aus der Tasche, schüttelte sie an einem Bügel auf und setzte sie auf die Nase. »Es scheinen ein paar Passagiere zu fehlen, was?« sagte er. Sein britischer Akzent war fast so steif wie sein Hemd. »Was ist mit der Besatzung? Hat jemand

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