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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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eine Ahnung?«
    »Das will ich gerade herausfinden«, sagte Brian und setzte sich wieder in Bewegung. Am Ende der Hauptkabine drehte er sich um und zählte rasch. Zwei weitere Passagiere hatten sich zu der Gruppe um das Mädchen mit der dunklen Brille gesellt. Zum einen das Teenagermädchen, das so fest geschlafen hatte; sie schwankte auf den Füßen, als wäre sie betrunken oder high. Und dann ein älterer Herr im zerschlissenen Mantel. Alles in allem acht Menschen. Dazu addierte er sich selbst und den Mann in der Business Class, der zumindest bis jetzt noch alles verschlief.
    Zehn Menschen.
    Im Namen Gottes, wo sind die anderen?
    Aber es war nicht der rechte Zeitpunkt, sich darüber Sorgen zu machen – vorher waren größere Probleme zu bewältigen. Brian eilte weiter und beachtete den alten kahlen Burschen gar nicht, der in der Business Class schlief.
     
8
     
    Das Personalabteil zwischen Filmprojektionswand und den Toiletten war verlassen. Ebenso die Kombüse, aber dort sah Brian etwas, das außerordentlich besorgniserregend war: Der Getränkewagen stand schräg vor der Steuerbordtoilette. Auf dem untersten Regal standen eine Anzahl benutzter Gläser.
    Sie haben sich gerade fertiggemacht, Getränke zu servieren, dachte er. Als es passiert ist – was immer ›es‹ war –, hatten sie gerade den Wagen vorbereitet. Die gebrauchten Gläser sind die, die sie vor dem Start eingesammelt haben. Was auch passiert ist, es muss innerhalb einer Stunde nach dem Start passiert sein, vielleicht etwas später. Wurden nicht Turbulenzen über der Wüste gemeldet? Ich glaube doch. Und dieses unheimliche Geschwätz von der Aurora borealis …
    Einen Augenblick war Brian überzeugt, dass das letztere ein Teil des Traums war – seltsam genug war es –, aber eingehenderes Nachdenken überzeugte ihn davon, dass Melanie Trevor, die Stewardess, es tatsächlich gesagt hatte.
    Vergiss es; was ist passiert? Was in Gottes Namen?
    Er wusste es nicht; er wusste nur, dass es ihm ein gewaltiges Gefühl des Schreckens und übernatürlichen Grauens in den Eingeweiden verschaffte, wenn er den verlassenen Getränkewagen betrachtete. Einen Augenblick überlegte er sich, dass sich die Leute, die als erste an Bord der Mary Celeste gegangen waren, ähnlich gefühlt haben mussten; sie betraten ein vollkommen verlassenes Schiff, wo sämtliche Segel ordentlich gesetzt und der Tisch des Kapitäns zum Abendessen gedeckt waren, wo sämtliche Taue fein säuberlich aufgewickelt waren und die Pfeife eines Matrosen noch irgendwo auf dem Vorderdeck mit dem letzten Rest Tabak schwelte …
    Brian schüttelte diesen lähmenden Gedanken mit größter Anstrengung ab und ging zur Tür zwischen Personalkabine und Cockpit.
    Er klopfte. Wie befürchtet, bekam er keine Antwort. Und obwohl er wusste, dass es sinnlos war, ballte er die Faust und hämmerte dagegen.
    Nichts.
    Er drehte den Türknauf. Der bewegte sich nicht. Das entsprach im Zeitalter unvorhergesehener Abstecher nach Havanna, in den Libanon oder nach Teheran den Dienstvorschriften. Nur die Piloten konnten aufmachen. Brian konnte dieses Flugzeug fliegen … aber nicht von hier aus.
    »He!« brüllte er. »He, Jungs! Macht die Tür auf!« Aber er wusste es besser. Die Stewardessen waren fort; fast sämtliche Passagiere waren fort. Brian Engle war bereit zu wetten, dass die Cockpitbesatzung der 767, zwei Mann, ebenfalls fort war.
    Er glaubte, dass der Autopilot Flug Nr. 29 Richtung Osten steuerte.

 
KAPITEL ZWEI
     
    Dunkelheit und Berge. Die Schatztruhe.
    Rollkragens Nase. Keine Hunde bellen.
    Panik nicht gestattet. Ein Richtungswechsel.
     
1
     
    Brian hatte den älteren Mann im roten Hemd gebeten, sich um Dinah zu kümmern, und dieser hatte eingewilligt; aber kaum hörte Dinah die Frau von der Steuerbordseite – die mit der angenehmen jungen Stimme –, konzentrierte sie sich mit beängstigender Heftigkeit auf sie, drängte sich an sie und griff, von einer Art schüchterner Entschlossenheit erfüllt, nach ihrer Hand. Nach den Jahren, die sie mit Miss Lee verbracht hatte, erkannte Dinah die Stimme einer Lehrerin, wenn sie eine hörte. Die dunkelhaarige Frau nahm ihre Hand bereitwillig.
    »Hast du gesagt, du heißt Dinah, Liebes?«
    »Ja«, sagte Dinah. »Ich bin blind, aber nach meiner Operation in Boston kann ich wieder sehen. Wahrscheinlich wieder sehen. Die Ärzte sagen, die Chancen stehen bei siebzig Prozent, dass ich einen Teil der Sehkraft bekomme, und vierzig Prozent, dass ich sie ganz bekomme.

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