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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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habe. Und weißt du was? Du hast dir den falschen Schriftsteller zum Verarschen ausgesucht. Ich glaube, ich will schon seit Mitte Juni jemanden umbringen, und du bist mir so recht wie jeder andere.
    Er drehte den Kopf zur Tür des Gästezimmers. Gleichzeitig streckte er die linke Hand aus (die er zuvor am Hemd abgetrocknet hatte, damit sie im entscheidenden Augenblick nicht abrutschte) und schloss sie um den Knauf der Badezimmertür.
    »Ich weiß, dass Sie da drinnen sind!« brüllte er die geschlossene Gästezimmertür an. »Wenn Sie unter dem Bett sind, kommen Sie besser raus! Ich zähle bis fünf! Wenn Sie bis dahin nicht rausgekommen sind, komme ich rein … und zwar mit Volldampf! Haben Sie mich verstanden?«
    Keine Antwort … aber er hatte eigentlich auch keine erwartet. Oder gewollt. Er umklammerte den Badezimmerknauf fester, brüllte die Zahlen aber in Richtung Gästezimmertür. Er wusste nicht, ob Shooter den Unterschied hören oder spüren würde, wenn er den Kopf Richtung Bad drehte, dachte aber, dass Shooter es vielleicht konnte. Der Mann war eindeutig gerissen. Verdammt gerissen.
    In dem Augenblick, bevor er zu zählen anfing, hörte er wieder eine leise Bewegung im Bad. Selbst aus dieser Nähe hätte er sie vielleicht überhört, hätte er nicht mit jedem Quäntchen Konzentration gelauscht, das er aufbringen konnte.
    »Eins!«
    Herrgott, er schwitzte! Wie ein Schwein!
    »Zwei!«
    Der Knauf der Badezimmertür war wie ein kalter Stein in seiner geballten Faust.
    »Dr...«
    Er drehte den Knauf der Badezimmertür und platzte hinein, wobei er die Tür so heftig aufstieß, dass sie gegen die Wand prallte, die Tapete zerriss und aus der unteren Angel sprang, und da war er, da war er, er kam mit erhobener Waffe auf ihn zu, hatte die Zähne zum Grinsen eines Killers gefletscht, und seine Augen waren wahnsinnig, vollkommen wahnsinnig, und Mort schlug mit dem Schürhaken zu, ein heulender Überkopfschlag, und er konnte gerade noch erkennen, dass Shooter ebenfalls einen Schürhaken schwang, und dass Shooter seinen runden schwarzen Hut gar nicht aufhatte, und dass es überhaupt nicht Shooter war, sondern er, der Wahnsinnige war er, und dann zertrümmerte der Schürhaken den Spiegel über dem Waschbecken, und silberbeschichtetes Glas spritzte überallhin, funkelte im Halbdunkel, und das Medizinschränkchen fiel ins Waschbecken. Die verzogene Tür sprang auf wie ein klaffendes Maul, Flaschen Hustensaft und Jod und Listerin fielen heraus.
    »Ich habe einen verdammten Spiegel umgebracht!« kreischte er und wollte den Schürhaken gerade wegwerfen, als sich tatsächlich etwas in der Badewanne bewegte, hinter der halbdurchsichtigen Duschtür. Ein furchtsames kleines Piepsen war zu hören. Grinsend hieb Mort mit dem Schürhaken zur Seite und riss ein scharfkantiges Loch in die Plastiktür, die er dabei aus der Laufschiene schlug. Er hob den Schürhaken mit glasigen Glotzaugen über die Schulter und verzerrte die Lippen genau zu der Grimasse, die er sich auf Shooters Gesicht vorgestellt hatte.
    Dann ließ er den Schürhaken langsam sinken. Er stellte fest, dass er die Finger der rechten Hand mit denen der linken lösen musste, damit der Schürhaken zu Boden fallen konnte.
    »O süßes Tierchen, wo geht’s lang«, sagte er zu der Feldmaus, die blind in der Badewanne herumwuselte, »vor Panik ist dir im Busen bang.« Seine Stimme klang heiser und tonlos und seltsam. Sie hörte sich ganz und gar nicht wie seine eigene Stimme an. Es war, als würde er sich selbst zum ersten Mal vom Tonband hören.
    Er drehte sich um und ging langsam aus dem Bad, vorbei an der schiefen Tür mit der gebrochenen Angel, und seine Schuhe knirschten auf den Scherben des Spiegels.
    Auf einmal wollte er nach unten gehen und sich aufs Sofa legen und ein Nickerchen machen. Auf einmal wollte er das mehr als alles auf der Welt.

 
24
     
    Das Telefon weckte ihn. Die Dämmerung war fast zur Nacht geworden, und er ging langsam an dem kleinen Glaskaffeetisch vorbei, der gerne zubiss, und hatte das unheimliche Gefühl, als hätte die Zeit sich irgendwie in sich selbst zusammengefaltet. Sein rechter Arm tat höllisch weh. Sein Rücken war kaum in besserer Verfassung. Wie fest hatte er den Schürhaken eigentlich geschwungen? Wie viel Panik hatte ihn beherrscht? Er wollte gar nicht daran denken.
    Er nahm den Hörer ab und sparte sich die Mühe zu überlegen, wer es sein konnte. Das Leben war so grässlich hektisch in letzter Zeit, dass es sogar der Präsident

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