Langoliers
sein konnte. »Hallo?«
Es war nicht George Bush. Es war John Shooter.
»Wie geht es Ihnen, Mr. Rainey«, fragte die Stimme, und Mort zuckte zurück und riss den Hörer einen Augenblick vom Ohr weg, als wäre er eine Schlange, die versucht hatte zu beißen. Er holte ihn langsam wieder näher.
»Mir geht es prima, Mr. Shooter«, sagte er mit trockener Stimme ohne Speichel. »Wie geht es Ihnen!«
»Ich bin die Unschuld vom Lande«, sagte Shooter in diesem schweren, nuschelnden Südstaatenakzent, der irgendwie so auffällig und kahl war wie eine ungestrichene Scheune, die mitten auf einer Wiese steht. »Aber ich glaube, Ihnen geht es nicht ganz so gut. Von einem anderen Mann zu stehlen, das scheint Ihnen nie sehr viel ausgemacht zu haben. Aber dabei erwischt zu werden … das scheint Ihnen das heulende Elend zu verschaffen.«
»Wovon reden Sie?«
Shooter hörte sich gelinde erheitert an. »Nun, ich habe im Radio gehört, dass jemand Ihr Haus niedergebrannt hat. Ihr anderes Haus. Und dann, als Sie wieder hier hergekommen sind, hat es sich angehört, als würden Sie durchdrehen, als Sie im Haus waren. Schreie … Gegenstände zertrümmern … aber vielleicht bekommen erfolgreiche Schriftsteller wie Sie eben Anfälle, wenn es nicht so läuft, wie sie gedacht haben. Ist es vielleicht das?«
Mein Gott, er war hier. Er war hier.
Mort sah zum Fenster hinaus, als könnte Shooter noch da draußen sein … sich möglicherweise in den Büschen verstecken, während er mit Mort über ein drahtloses Telefon sprach. Selbstverständlich lächerlich.
»Das Magazin mit meiner Geschichte darin ist unterwegs«, sagte er. »Werden Sie mich in Ruhe lassen, wenn es hier ist?«
Shooter hörte sich immer noch trage amüsiert an. »Es gibt kein Magazin mit einer Geschichte, Mr. Rainey. Sie und ich, wir wissen es beide. Jedenfalls nicht von 1980. Wie könnte das sein, wo Sie meine Geschichte doch erst 1962 stehlen konnten?«
»Gottverdammt, ich habe Ihre Geschichte nicht gest …«
»Als ich das mit Ihrem Haus gehört habe«, sagte Shooter, »bin ich weggegangen und habe mir einen Evening Express gekauft. Sie haben ein Bild der Überreste abgedruckt. Nicht sehr viel. Und ein Bild von Ihrer Frau.« Eine lange, nachdenkliche Pause. Dann sagte Shooter: »Sie is’ hübsch.« Er benützte seine ländliche Aussprache absichtlich, spöttisch. »Wie kommt ’n hässlicher Knochen wie Sie zu sonner hübschen Frau, Mr. Rainey?«
»Wir sind geschieden«, sagte er. »Das habe ich Ihnen gesagt. Vielleicht ist ihr aufgegangen, wie hässlich ich bin. Warum lassen wir Amy nicht aus dem Spiel? Das geht nur Sie und mich etwas an.«
Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen wurde ihm klar, hatte er das Telefon abgenommen, während er nur halb wach und beinahe schutzlos war. Als Folge dessen hatte Shooter fast völlige Kontrolle über die Unterhaltung. Er führte Mort an der Nase herum und gab den Ton an.
Dann leg auf.
Aber das konnte er nicht. Jedenfalls noch nicht.
»Sie und mich, ja?« fragte Shooter. »Dann nehme ich an, dass Sie mich anderen gegenüber nicht mal erwähnt haben.«
»Was wollen Sie? Sagen Sie es mir? Was in drei Teufels Namen wollen Sie?«
»Sie wollen den zweiten Grund, warum ich gekommen bin, ist es nicht so?«
»Ja! «
»Ich möchte, dass Sie mir eine Geschichte schreiben«, sagte Shooter ruhig. »Ich möchte, dass sie eine Geschichte schreiben, meinen Namen daruntersetzen und sie mir geben. Das schulden Sie mir. Recht ist recht und fair ist fair.«
Mort stand in der Diele, hielt den Hörer in der schmerzenden Hand, und eine Vene pulsierte auf seiner Stirn. Ein paar Augenblicke war seine Wut so umfassend, dass er lebendig darin begraben war und nur immer und immer wieder denken konnte: DAS ist es also! DAS ist es also! DAS ist es also!
»Sind Sie noch da, Mr. Rainey?« fragte Shooter mit seiner ruhigen Nuschelstimme.
»Für Sie schreibe ich nur eines«, sagte Mort, dessen eigene Stimme vor Wut langsam und dick wie Sirup war, »nämlich Ihren Totenschein, wenn Sie mich nicht in Ruhe lassen.«
»Große Worte, Pilger«, sagte Shooter mit der geduldigen Stimme eines Mannes, der einem dummen Kind ein einfaches Problem erklärt, »weil Sie wissen, ich kann Ihnen nichts anhaben. Wenn Sie meinen Hund oder mein Auto gestohlen hätten, könnte ich Ihren Hund oder Ihr Auto nehmen. Das könnte ich so leicht, wie ich Ihrer Katze das Genick gebrochen habe. Wenn Sie versuchen würden, mich aufzuhalten, könnte ich Ihnen wehtun und es
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