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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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sagte sie leise. »Das sollte vorbei sein. Ich will damit nur sagen, selbst wenn du hier warst, warst du häufig fort. Du hast auch eine Geliebte gehabt, weißt du. Deine Arbeit war deine Geliebte.« Ihre Stimme war fest, aber er spürte Tränen, die tief darunter begraben waren. »Wie ich diese Schlampe gehasst habe, Mort. Sie war schöner als ich, klüger als ich, faszinierender als ich. Wie hätte ich eine Konkurrenz für sie sein können?«
    »Gib nur mir an allem die Schuld, warum nicht?« sagte er und stellte missfällig fest, dass er selbst den Tränen nahe war. »Was hätte ich denn deiner Meinung nach sein sollen? Ein verdammter Klempner? Wir wären arm gewesen und ich arbeitslos. Ich kann einfach nichts anderes, begreifst du das nicht? Ich kann nichts anderes!« Er hatte gehofft, die Tränen wären vorbei, wenigstens eine Weile, aber sie kamen wieder. Wer hatte wieder an dieser schrecklichen Wunderlampe gerieben? War es dieses Mal er oder sie gewesen?
    »Ich gebe dir keine Schuld. Mich trifft ebensoviel Schuld wie dich. Du hättest uns nie so gefunden … wie du uns gefunden hast … wenn ich nicht schwach und feige gewesen wäre. Es lag nicht an Ted; Ted wollte, dass wir gemeinsam zu dir gehen und es dir sagen. Er hat immer wieder darum gebeten. Und ich habe ihn hingehalten. Ich habe ihm gesagt, ich wäre nicht sicher. Ich sagte mir, dass ich dich immer noch liebe, dass alles wieder so werden könnte, wie es einmal war … aber ich glaube, das ist niemals möglich. Ich …« Ihr Atem stockte, und Mort wurde klar, dass sie auch weinte. »Ich vergesse nie deinen Gesichtsausdruck, als du diese Moteltür aufgemacht hast. Den werde ich mit ins Grab nehmen.«
    Gut! wollte er sie anschreien. Gut! Denn du hast ihn ja nur sehen müssen! Ich musste ihn machen!
    »Du hast meine Geliebte gekannt«, sagte er bebend. »Ich habe sie nie vor dir verheimlicht. Du hast sie von Anfang an gekannt.«
    »Aber ich habe nicht gewusst«, sagte sie, »wie fest ihre Umarmung sein konnte.«
    »Nun, du kannst wieder fröhlich sein«, sagte er. »Sie scheint mich auch verlassen zu haben.«
    Amy schluchzte. »Mort, Mort – ich möchte nur, dass du lebst und glücklich bist. Kannst du das nicht verstehen? Kannst du das nicht tun!«
    Er hatte gesehen, wie eine ihrer nackten Schultern eine nackte Schulter von Ted Milner berührte. Er hatte ihre weitaufgerissenen und ängstlichen Augen gesehen, und Teds Haar, das wie die Locken von Alfalfa abgestanden war. Er dachte daran, ihr das zu sagen – es wenigstens zu versuchen –, ließ es aber bleiben. Es reichte. Sie hatten einander genügend weh getan. Ein andermal konnten sie es vielleicht noch einmal anpacken. Aber er wünschte sich, sie hätte das mit dem Nervenzusammenbruch nicht erwähnt. Er hatte keinen Nervenzusammenbruch gehabt. Er hatte nie einen Nerven zusammenbrach gehabt. Er würde nie einen Nervenzusammenbruch haben.
    »Amy, ich glaube, ich muss gehen.«
    »Ja – wir beide. Ted ist weg; er bietet ein Haus an, aber er wird bald zurückkommen. Ich muss ein Abendessen zurechtschustern.«
    »Tut mir leid, dass wir gestritten haben.«
    »Rufst du mich an, wenn du mich brauchst? Ich mache mir immer noch Sorgen.«
    »Ja«, sagte er, verabschiedete sich und legte auf. Er stand noch einen Moment beim Telefon und dachte, dass er ganz bestimmt in Tränen ausbrechen würde. Aber es ging vorbei. Das war möglicherweise der wahre Schrecken. Es ging vorbei.

 
39
     
    Der unablässig fallende Regen machte ihn lustlos und träge. Er machte ein kleines Feuer im Holzofen, zog sich den Sessel heran und versuchte, die aktuelle Ausgabe von Harper’s zu lesen, döste aber immer wieder ein und schreckte wieder hoch, wenn sein Kinn heruntersank, auf die Luftröhre drückte und ein Schnarchen erzeugte. Ich hätte mir heute Zigaretten kaufen sollen, dachte er. Ein paar Zigaretten hätten mich wach gehalten. Aber er hatte sich keine Zigaretten gekauft und war auch nicht sicher, ob sie ihn wirklich wach gehalten hätten. Er war nicht nur müde; er stand unter Schock.
    Schließlich ging er zum Sofa, rückte die Kissen zurecht und legte sich hin. Neben seiner Wange platschte kalter Regen gegen das dunkle Glas.
    Nur einmal dachte er. Ich habe es nur einmal gemacht. Und damit fiel er in tiefen Schlaf.

 
40
     
    In seinem Traum war er im größten Klassenzimmer der Welt.
    Die Wände erstreckten sich meilenweit. Jedes Pult war ein Plateau, graue Bodenfliesen bildeten die große Ebene dazwischen. Die Uhr an

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