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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Er sah aus wie ein Holzfäller, der gerade anfängt, im Ruhestand weich zu werden.
    Rollkragen sah einen Augenblick verblüfft drein, dann zog er die Oberlippe zurück und fletschte die Zähne. Diese hundeähnliche Grimasse machte Laurel angst, denn sie glaubte, der Mann im Rollkragenpullover wusste gar nicht, dass er so ein Gesicht zog. Sie fragte sich als erste von allen, ob dieser Mann möglicherweise verrückt war.
    »Ich glaube nicht, dass du das allein schaffen würdest, Alter«, sagte er.
    »Das muss er auch nicht.« Es war der kahle Mann aus der Business Class. »Ich haue Ihnen auch eine runter, wenn Sie nicht still sind.«
    Albert Kaussner nahm allen Mut zusammen und sagte: »Und ich auch, Sie Loddel.« Es war eine große Erleichterung, das zu sagen. Er kam sich vor wie einer der Männer von Alamo, die über die Linie traten, welche Oberst Travis in den Staub gezogen hatte.
    Rollkragen sah sich um. Er verzog die Lippe wieder zu diesem hundeähnlichen Fauchen. »Ich verstehe. Ich verstehe. Sie sind alle gegen mich. Prima.« Er setzte sich und sah sie trotzig an. »Aber wenn Sie etwas über den Markt für südamerikanische Aktien wüssten …« Er sprach nicht zu Ende. Auf der Armlehne des Sitzes neben ihm lag eine Cocktailserviette. Er nahm sie, betrachtete sie und fing an, daran zu zupfen.
    »Es muss nicht so sein«, sagte Gaffney. »Ich bin von Natur aus kein Schläger, Mister, und auch nicht durch Neigung.« Er versuchte, freundlich zu klingen, dachte Laurel, aber Argwohn war herauszuhören, möglicherweise auch Wut. »Sie sollten sich einfach entspannen und es gelassen nehmen. Sehen Sie es von der angenehmen Seite! Die Fluggesellschaft wird Ihnen wahrscheinlich den vollen Preis für das Ticket zurückerstatten.«
    Rollkragen sah ganz kurz in Don Gaffneys Richtung, dann wieder auf die Cocktailserviette. Er hörte auf, daran zu zupfen, und riss sie statt dessen in lange Streifen.
    »Weiß jemand, wie man diesen kleinen Herd in der Kombüse bedient?« fragte Platte, als wäre nichts geschehen. »Ich will mein Essen.«
    Niemand antwortete.
    »Das hatte ich auch nicht erwartet«, sagte der kahlköpfige Mann traurig. »Wir leben im Zeitalter der Spezialisierung. Eine beschämende Zeit zu leben.« Mit dieser philosophischen Erkenntnis verschwand Platte wieder in der Business Class.
    Laurel sah nach unten und stellte fest, dass Dinahs Wangen unter der dunklen Brille mit ihrem fröhlichen roten Plastikgestell tränenfeucht waren. Laurel vergaß ihre eigene Angst und Verwirrung wenigstens vorübergehend teilweise und nahm das kleine Mädchen in den Arm. »Nicht weinen, Liebes – der Mann war nur durcheinander. Jetzt geht es ihm wieder besser.«
    Wenn man es besser nennen kann, dazusitzen und wie hypnotisiert dreinzuglotzen und dabei eine Papierserviette in kleine Streifen zu zerreißen, dachte sie.
    »Ich habe Angst«, flüsterte Dinah. »Diesem Mann kommen wir alle wie Ungeheuer vor.«
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte Laurel überrascht und ein wenig erschrocken. »Wie kommst du nur auf so etwas?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Dinah. Sie mochte diese Frau – sie hatte sie von dem Augenblick an gemocht als sie ihre Stimme gehört hatte –, aber sie hatte nicht die Absicht, Laurel zu sagen, dass sie sie einen Augenblick alle, einschließlich ihr selbst, gesehen hatte, wie sie den Mann mit der lauten Stimme betrachteten. Sie war in dem Mann mit der lauten Stimme gewesen – sein Name war Mr. Tooms oder Mr. Tunney oder so ähnlich –, und für ihn sahen sie alle wie eine Bande böser, egoistischer Trolle aus.
    Wenn sie Miss Lee so etwas gesagt hätte, hätte Miss Lee sie für verrückt gehalten. Wieso sollte diese Frau, die Dinah gerade kennen gelernt hatte, anders denken?
    Daher sagte Dinah nichts.
    Laurel küsste das Mädchen auf die Wange. Die Haut unter ihren Lippen war heiß. »Hab keine Angst, Liebes. Es wird alles so glatt wie Butter gehen – spürst du das nicht? –, und in ein paar Stunden sind wir wieder sicher auf dem Boden.«
    »Das ist gut. Aber ich will zu meiner Tante Vicky. Was meinen Sie, wo sie ist?«
    »Ich weiß nicht, Kleines«, sagte Laurel. »Ich wünschte, ich wüsste es.«
    Dinah dachte wieder an die Gesichter, die der brüllende Mann sah: böse Gesichter, grausame Gesichter. Sie dachte an ihr eigenes Gesicht, wie er es sah, ein schweineähnliches Babygesicht, dessen Augen hinter riesigen schwarzen Gläsern verborgen waren. Da verließ sie der Mut, und sie fing heiser und

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