Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
Vom Netzwerk:
auf den Atlantik hinaus und sinke auf dem Rückflug. Unsere Chancen stehen besser, wenn wir den Landeanflug über Wasser machen.«
    »Also fliegen wir vorerst einfach weiter.«
    »Richtig.«
    »Und warten.«
    »Wieder richtig.«
    Nick seufzte. »Nun, Sie sind der Kapitän.«
    Brian lächelte. »Dreimal richtig hintereinander.«
     
4
     
    Tief in den Gräben auf dem Grund des Pazifiks und des Indischen Ozeans existieren Fische, die leben und sterben, ohne auch nur einmal die Sonne zu ahnen. Diese legendären Kreaturen durchkreuzen die Tiefe wie geisterhafte Ballons, und ihre eigene Strahlung beleuchtet sie von innen. Sie sehen zwar zerbrechlich aus, sind aber in Wahrheit Wunderwerke biologischer Konstruktion und können Drücken widerstehen, die einen Menschen binnen Sekundenbruchteilen platt wie eine Fensterscheibe quetschen würden. Ihre große Stärke ist aber auch ihre große Schwäche. Sie sind Gefangene ihrer Körper und für alle Zeiten in ihren dunklen Tiefen eingesperrt. Wenn sie gefangen und nach oben befördert werden, zur Sonne, explodieren sie einfach. Nicht der Druck bringt sie um, sondern sein Fehlen.
    Craig Toomy war in seinem eigenen dunklen Graben aufgewachsen und hatte stets in seiner eigenen Atmosphäre hohen Drucks gelebt. Sein Vater war leitender Angestellter der Bank of America gewesen, über längere Zeiträume nicht zu Hause, die Karikatur eines Strebers. Er trieb sein einziges Kind so nachdrücklich und unbarmherzig voran wie sich selbst. Die Gutenachtgeschichten, die er Craig in den ersten Jahren erzählte, machten dem Jungen angst. Was nicht überraschend war, denn Angst war genau das Gefühl, welches Roger Toomy im Herzen des Jungen wecken wollte. Diese Geschichten handelten meistens von ihnen selbst und einer Rasse monströser Wesen, die Langoliers hießen.
    Ihre Aufgabe, ihr Lebenszweck (in der Welt von Roger Toomy hatte alles eine Aufgabe, alles einen ernsten Lebenszweck) war es, faulen Kindern aufzulauern, die herumtrödelten und ihre Zeit vergeudeten. Im Alter von sieben Jahren war Craig bereits ein Streber, genau wie sein Daddy. Er hatte sich entschieden: Ihn würden die Langoliers nie erwischen.
    Ein Zeugnis, das nicht lauter Einsen enthielt, war ein untragbares Zeugnis. Eine Eins minus war Anlass für Standpauken voller Schreckensbilder, wie das Leben aussehen würde, wenn man Baugruben aushob oder Mülltonnen leerte, und eine Zwei zog Bestrafungen nach sich – am häufigsten eine Woche Stubenarrest. Während dieser Woche durfte Craig sein Zimmer lediglich zur Schule und zu den Mahlzeiten verlassen. Gutes Betragen wirkte sich nicht strafmildernd aus. Andererseits brachten außergewöhnliche Leistungen – zum Beispiel als Craig den Zehnkampfwettbewerb der Schule gewonnen hatte – kein entsprechendes Lob oder eine Belohnung. Als Craig seinem Vater die Medaille zeigte, die er bekommen hatte – während einer Versammlung vor der gesamten Schülerschaft –, sah sein Vater sie an, grunzte einmal und wandte sich wieder seiner Zeitung zu.
    Craig war neun Jahre alt, als sein Vater an einem Herzinfarkt starb. Er war gewissermaßen erleichtert, dass die Antwort der Bank of America an General Patton nicht mehr existierte.
    Seine Mutter war Alkoholikerin, deren Sucht lediglich durch die Angst vor dem Mann, den sie geheiratet hatte, kontrolliert worden war. Als Roger Toomy sicher unter der Erde war, wo er nicht mehr nach ihren Flaschen suchen und sie zertrümmern oder seine Frau schlagen und ihr sagen konnte, sie solle sich um Gottes willen zusammenreißen, fing Catherine Toomy ernsthaft mit ihrer Lebensaufgabe an. Sie erstickte ihren Sohn abwechselnd mit Zuwendungen oder erschreckte ihn mit Zurückweisungen, je nachdem, wie viel Gin gerade durch ihren Blutkreislauf gepumpt wurde. Ihr Verhalten war häufig seltsam und manchmal bizarr. Am Tag, als Craig zehn wurde, steckte sie ihm ein Küchenstreichholz zwischen zwei Zehen, zündete es an und sang ›Happy birthday to you‹, während es langsam zu seiner Haut hinunterbrannte. Sie sagte ihm, wenn er versuchte, es auszublasen oder abzuschütteln, würde sie ihn auf der Stelle ins WAISENHAUS bringen. Die Drohung mit dem WAISENHAUS sprach Catherine Toomy häufig aus, wenn sie voll war. »Sollte ich jedenfalls tun«, sagte sie ihm, während sie das Streichholz anzündete, das wie eine spindeldürre Geburtstagskerze zwischen den Zehen ihres Sohnes steckte. »Du bist genau wie dein Vater. Er hatte keine Ahnung, wie man sich amüsiert, und die

Weitere Kostenlose Bücher