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Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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durchringen konnte, wenigstens zum Durchtrennen des Samenleiters. Er führte letztere Operation sogar an dem berühmtesten Arzt seiner Zeit durch: Sigmund Freud. Der Psychoanalytiker wurde immerhin 83
Jahre alt, und das trotz 33 Kieferkrebs-Operationen. Doch das hatte rein gar nichts damit zu tun, dass man ihn per Skalpell unfruchtbar gemacht hatte.
    Freud starb im September 1939, als der Sturm des Antisemitismus über Deutschland wütete. Einer seiner intellektuellen Sprachrohre war – solange jedenfalls, bis er sogar für das Nazi-Regime zu extrem wurde – der Publizist und erklärte »Rassenhygieniker« Heinrich Pudor. Dieser vertrat die Ansicht, dass allein »die diszipliniert und ausdauernd durchgeführte Praxis von Luft-, Wasser- und Sonnenbädern die einzig wahre Verjüngung« bieten würde. Das Schlimme daran: Mit Luft, Wasser und speziell mit Sonne lag er zwar daneben, doch mit Ausdauer und Disziplin traf er ziemlich exakt ins Schwarze. Dadurch, dass sich nicht nur Pudor, sondern auch viele andere Nazi-Sprachrohre dafür aussprachen, sind diese beiden Schlüsselfaktoren der Selbstkontrolle bis heute verbrannt. Weder in der Erziehung noch in der Medizin haben sie derzeit ein gutes Image. Was einerseits verständlich, andererseits aber auch schade ist. Denn tatsächlich gehören Disziplin und beharrliche Ausdauer zu den Merkmalen, ohne die sich ein langes Leben nur schwer erreichen lässt.
    Stattdessen richtet sich der Blick heute auf andere Techniken der Lebensverlängerung. Sie sollen angeblich über ein solides wissenschaftliches Fundament verfügen – doch bei näherem Hinsehen halten sie nicht unbedingt das, was sie versprechen.
    Sitzen tötet – doch Sport ist nicht das alleinige Gegenmittel
    Die kanadischen Forscher hatten eigentlich erwartet, dass man zehnjährige Kinder nicht ohne weiteres längere Zeit auf einem Stuhl halten könnte. Doch mit Hilfe von Fernsehen
und Videospielen war das ein »Kinderspiel«. Zwei, drei oder sogar sieben Stunden lang Sitzen waren kein Problem, wenn es nur interessant genug auf einem Monitor flimmerte. »Die Jungen und Mädchen waren sehr diszipliniert«, berichtet Studienleiter Mark Tremblay, der an der Universität Montreal den Pädiatrie-Lehrstuhl leitet und dort die gesundheitlichen Auswirkungen eines körperlich passiven Lebensstils auf die Kinderphysis erforscht. Doch die Blutwerte seiner Probanden waren dafür umso undisziplinierter. Die Zuckerwerte gingen steil nach oben und die Werte an günstigem HDL-Cholesterin sackten in den Keller, »und dafür reichten schon zwei bis sieben Stunden ununterbrochenes Sitzen«, so Tremblay. Die Veränderungen waren so dramatisch, dass bezweifelt werden darf, ob es überhaupt ethisch noch vertretbar ist, Kinder für eine Studie stundenlang auf einem Stuhl festzuhalten.
    Andererseits kann man sich damit »trösten«, dass dabei von den Kindern nichts eingefordert wird, was sie sonst nicht auch tun würden. Im Gegenteil. Ein deutsches Grundschulkind verharrt durchschnittlich neun Stunden pro Tag in Sitzposition, und mit dem zunehmendem Alter werden es immer mehr. Ein Erwachsener verbringt hierzulande 11,5 Stunden auf Stühlen, Autositzen oder Sesseln. Wenn nun aber, wie die kanadische Studie zeigte, bereits sieben isolierte Sitzstunden derart rabiate Wirkungen auf die Blutwerte haben, lässt sich leicht ausmalen, wie verheerend dies für die Gesundheit sein muss.
    Aktuelle Daten bestätigen diesen Verdacht. In einer 14 Jahre währenden Beobachtungsstudie an 120.000 US-Amerikanern zeigte sich: Männer, die täglich sechs Sunden oder mehr sitzend verbringen, haben eine um 20 Prozent höhere Sterberate als die Bis-zu-Drei-Stunden-Sitzer. Bei den Frauen beträgt der relative Unterschied sogar 40 Prozent. Wendell Taylor von der University of Texas kommt in einer Übersichtsarbeit zu dem Fazit, dass pro Doppelstunde sitzender Tätigkeit das Risiko für Übergewicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen um
fünf Prozent ansteigt. Am Pennington Biomedical Research Center in Louisiana erfasste man 13 Jahre lang den Gesundheitszustand und Lebensstil von 17000 Testpersonen: Die Dauersitzer zeigten dabei ein um 50 Prozent höheres Herztodrisiko als die Wenigsitzer.
    Taylors Resümee fällt daher desillusionierend aus: »Sitzen an sich, ob im Auto, vor dem Fernseher oder am Schreibtisch, ist lebensbedrohlich.« Sein Kollege James Levine von der Mayo-Klinik in Rochester geht sogar noch einen Schritt weiter: »Sitzen ist eine geradezu

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