Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
Vom Netzwerk:
tödliche Aktivität.« Und der Endokrinologe hat seine Gründe dafür.
    »Wenn wir den Hauptteil unserer wachen Zeit sitzend verbringen«, so Levine, »beeinträchtigt dies gleich auf vielfache Weise unsere Gesundheit.« Als erstes wäre da natürlich der geringe Kalorienverbrauch zu nennen, der zudem noch mit einer reduzierten Fettverbrennung einhergeht. Schon wenige Stunden Sitzen reichen aus, um in den Blutgefäßen die Ausschüttung von Lipoproteinlipase (LPL) einzuschränken. Dieses Enzym ist an der Fettverdauung beteiligt, sein Mangel führt zu Übergewicht und erhöhten Blutfettwerten. Bei gelegentlichem Sitzen fällt der LPL-Verlust noch nicht sonderlich ins Gewicht. »Doch wer täglich längere Zeit sitzt, reduziert die LPL-Aktivität um bis zu 50 Prozent«, so Levine.
    Schwer wiegen die Folgen des langen Sitzens auch auf die Muskulatur: Die Bauch-, Bein- und Gesäßmuskeln werden immer schwächer, während sich die Rückenmuskeln verkürzen. Diese Dysbalance führt zu einer unphysiologischen Belastung des Skelettes, bis es schließlich zu Rücken- und Gelenkschmerzen kommt. Die sind zwar prinzipiell nicht lebensbedrohend, erfordern aber oft den Einsatz von Schmerzmitteln, die bekanntermaßen schwere bis tödliche Nebenwirkungen haben.
    Sogar die Psyche leidet unter dem Dauersitzen. In einer spanischen Studie zeigten diejenigen, die mehr als 42 Stunden pro Woche vor dem Fernseher saßen, ein um 31 Prozent
erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen im Vergleich mit denjenigen, die weniger als 11 Stunden vor der Glotze saßen. Was freilich auch am Fernsehprogramm liegen könnte, doch Levine betont, dass Sitzen an sich bereits eine erhebliche Wirkung auf das vegetative Nervensystem habe. Auf der einen Seite steige die Müdigkeit, auf der anderen verschlechtere sich die Fähigkeit zum Stressabbau – und diese Kombination bildet einen guten Nährboden für Ängste und Depressionen, die bekanntermaßen in den Selbstmord führen und damit das Leben ebenfalls verkürzen können.
    Es ist also keine Frage: Sitzen tötet – und man sollte etwas dagegen tun. Mediziner und andere Therapeuten empfehlen ihren Patienten daher in der Regel den Sport. Doch das schießt wiederum über das Ziel hinaus. Denn der Mensch ist zwar von der Evolution auf Bewegung eingestellt, aber nicht darauf, viele Stunden in Wäldern zu joggen, in Krafträumen zentnerweise Gewichte zu stemmen oder seinen Körper in Stretch- oder Pilates-Positionen zu verbiegen. Zwar gibt es diverse Studien, die Sportlern ein längeres Leben bescheinigen. Das könnte allerdings, wie die Studienautoren meistens selbst zugeben, genauso gut daran liegen, dass besonders diejenigen Sport machen, die schon überdurchschnittlich gesund sind. Es ist also nicht klar, ob Sport das Leben verlängert oder hauptsächlich von denen betrieben wird, die ohnehin fitter als andere und daher für ein längeres Leben prädestiniert sind.
    In einigen Disziplinen des Spitzensports konnten Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität in Gießen sogar eine verringerte Lebenserwartung feststellen. So werden Gewichtheber, Leichtathleten und Radfahrer im Durchschnitt nur 70,4 Jahre alt, was deutlich unter der allgemeinen Lebenserwartung hierzulande liegt. Möglich, dass dies am verbreiteten Doping in diesen Sportarten liegt. Möglich ist aber auch, dass man dort so hart gegen sich selbst ist, dass man körperliche Warnsignale missachtet und sich zu wenig Regeneration
gönnt. In jedem Fall taugen solche Befunde nicht gerade für ein Plädoyer für eine lebensverlängernde Wirkung von Sport.
    Kritische Wissenschaftler halten ihn daher nur für eine mögliche, nicht aber eine notwendige Maßnahme gegen den grassierenden Bewegungsmangel. »Es reicht schon, wenn man das Sitzen immer wieder unterbricht, egal mit was«, betont Mark Tremblay, der es als Pädiater in Kanada immer öfter mit Kindern zu tun hat, die partout keinen Sport betreiben wollen. Bestätigt wird er in dieser Einschätzung durch die aktuelle Studienlage. So haben amerikanische Wissenschaftler im British Medical Journal vorgerechnet, dass es zwei zusätzliche Lebensjahre bringt, wenn man weniger als drei Stunden sitzend am Schreibtisch verbringt, wobei dies unabhängig davon sei, wie Studienleiter Peter Katzmarzyk von der State University in Baton Rouge betont, mit welcher Aktivität und in welchen Zeitintervallen die sitzfreie Zeit gestaltet wird. Hauptsache also, man erhebt sich von seinem Bürostuhl. »Wer er es dann

Weitere Kostenlose Bücher