Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
erzählte man sich im alten Babylon die Geschichte vom Halbgott Gilgamesch, der unbedingt Unsterblichkeit erlangen wollte. Von einem Wahrsager erhielt er den Tipp, dass er sechs Tage und sieben Nächte wach bleiben sollte, dann würde es schon klappen mit der Unsterblichkeit. Doch Gilgamesch wurde schon in der ersten Nacht von Müdigkeit übermannt, was vermutlich auch ganz gut war, denn sonst wäre er möglicherweise schon direkt tot gewesen. Danach setzte er seine Hoffnung in eine Pflanze tief unten im Meer, die angeblich ewige Jugend verleihen sollte. Gilgamesch
holte sie sich und badete nach dem anstrengenden Tauchmanöver in einem Teich, um sich abzukühlen. Währenddessen kroch heimlich eine Schlange heran – und verschlang das Tiefseekraut. Mit der Konsequenz, dass sich Schlangen seitdem häuten können und damit wenigstens eine Quasi-Unsterblichkeit erreichen. Für Gilgamesch hingegen war die Sache mit dem ewigen Leben endgültig erledigt.
Die Lehre aus der babylonischen Fabel wäre eigentlich, dass man nicht nach der ewigen Jugend suchen sollte, wenn noch nicht einmal Halbgötter sie erreichen können. Doch: Das menschliche Gehirn funktioniert eben anders. Weswegen nach Gilgamesch – er soll etwa drei Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung gelebt haben – die Suche nach der ewigen oder wenigstens verlängerten Jugend keineswegs aufgehört hat.
So näherte man sich im chinesischen Taoismus der Lebensverlängerung von der philosophischen Seite, indem man den Quietismus und Primitivismus betonte. Demzufolge leben wir umso länger, je müheloser und einfacher wir unseren Alltag gestalten. Doch das klang offenbar selbst für Taoisten zu schlicht, sodass sie es wieder verkomplizierten und noch eine Diät erschufen, um uns vor den »bösen Würmern« zu schützen, die uns sonst aushungern und vergiften würden: weniger Getreide und dafür Zimt, Süßholz, Ginseng und andere Kräuter sowie Eier, Schildkröten und Pfirsiche. Ergänzend sollte man außerdem eine spezielle Atemtechnik erlernen, um die Luft besser zu den einzelnen Körperteilen zu lenken.
Einige der taoistischen Techniken sind gar nicht so abwegig; der amerikanische Medizinhistoriker Gerald Gruman bescheinigt ihnen, »dass sie die Verlängerung des Lebens aus dem Bereich der Magie in ein Stadium überführten, das man am besten als Vorstufe zur Wissenschaft bezeichnet«. Es kann also durchaus sein, dass man mit dem Tao länger lebt – doch es bleibt die Frage, ob das an seinem Inhalt liegt oder aber daran, dass er von den Menschen Disziplin und Selbstüberwindung einfordert, die ihrerseits das Leben verlängern.
Der Taoismus nahm seinen Anfang vier Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung, als man im Abendland den Tod noch als notwendiges Übel betrachtete. Das änderte sich erst mit dem 13. Jahrhundert, und zwar mit dem englischen Philosophen und Wissenschaftler Roger Bacon, den man allerorten Dr. Mirabilis nannte, den »wunderbaren Lehrer«. Für ihn stand fest, dass das Leben keine festgelegte Altersgrenze hätte und man es mit Hilfe der »geheimen Künste«, also der Alchemie, verlängern könnte. Er experimentierte mit Perlen, Korallen, Aloeholz, Gold und »Knochen aus dem Herzen eines Hirsches«. Außerdem empfahl er alten Männern, am Atem einer Jungfrau zu schnuppern. Wissenschaftler können mit solchen Tipps naturgemäß nur wenig anfangen, auch wenn Aloe Vera derzeit als Jungbrunnen gefeiert wird und mancher Tattergreis an der Seite eines jungen Mädchens zumindest vorübergehend zu neuem Leben erwacht.
Nach Bacon erkor auch Descartes die Lebensverlängerung zum eigentlichen Ziel der Medizin. Doch während Bacon immerhin knapp 80 Jahre alt wurde, kam der Erfinder des »Ich denke, also bin ich« gerade mal auf 53 Jahre, weil er sich, wie gesagt, zu wenig bewegte und den Tag lieber im Bett als im Freien verbrachte. Ein besseres Vorbild lieferte da schon zwei Jahrhunderte später der preußische Arzt Christoph Wilhelm Hufeland, der Autor von Makrobiotik, oder die Kunst, das menschliche Leben zu verlängern : Er wurde immerhin 74 Jahre alt – und empfahl neben bestimmten Ernährungstechniken auch einen harmonischen Lebensstil, was heutige Psychosomatiker als Voraussetzung für ein gesundes Leben durchaus unterstreichen würden.
Nach Hufeland wurde es jedoch wieder abenteuerlich. So riet der österreichische Physiologe Eugen Steinach als Verjüngungskur zur Hodentransplantation oder aber, wenn sich der Patient partout nicht dazu
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