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Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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genommen. Das freut Marie, denn sie hat lange Zeit darunter gelitten, dass niemand sie so recht ernst genommen hat. Sie ist zwar beliebt bei ihren Freunden und Kollegen, doch dabei hat sie nicht das Gefühl, wirklich respektiert und geschätzt zu werden. Manchmal kommt sie sich sogar vor wie ein treuer, aber hässlicher Straßenköter, den man irgendwie niedlich findet, aber wenn er lästig wird oder zu nahe kommt, bekommt er einen Tritt.
    Und tatsächlich ist es das Hündisch-Devote, was man als typisches Merkmal der DPD bezeichnen könnte. Wobei die betroffenen Menschen sogar noch weiter gehen als die kläffenden Vierbeiner, die wenigstens beim Fressen und ihren gelegentlichen Sexattacken rabiat und egoistisch sein können. Der DPD-Kranke hingegen unterwirft sich komplett den Bedürfnissen anderer, vor allem nahestehender Personen, die er auf gar keinen Fall enttäuschen will. Eigene Wünsche werden bagatellisiert und ignoriert, und wenn sie trotzdem wahrgenommen werden, dann werden sie zumindest nicht artikuliert. Ein DPD-ler fühlt sich generell schwach, minderwertig und inkompetent, ist fest davon überzeugt, im Leben nicht allein zurechtkommen zu können. Er ist eigentlich gar kein
Individuum mit eigenen Wünschen und Forderungen an das Leben, sondern ein Geschöpf, das in anderen lebt.
    Maries letzte Beziehung zu einem Mann ist genau daran kaputt gegangen. Er sagte ihr: »Ich weiß gar nicht, wie ich es dir sagen soll. Denn du bist immer für mich da, machst es mir recht, wie es dir nur möglich ist. Ich kann mich hundertprozentig auf dich verlassen, es gibt nichts, was du nicht für mich tun würdest. Aber genau das ist so furchtbar, so unerträglich für mich. Denn du erdrückst mich mit deiner Liebe. Wir sollten uns trennen.« Andere Frauen wären da vielleicht stocksauer geworden, hätten den Kerl angekeift. Oder hemmungslos geschluchzt. Nicht aber Marie. Sie sagte nur: »Okay, wenn du meinst.« Und ist dann in Therapie gegangen. Was für DPD-ler generell kein großes Problem ist. Sie gehen gern in Therapie und machen dort alles, was man von ihnen will. Für einen Therapeuten oder Arzt sind sie geradezu ideale Patienten, weil sie eine perfekte Compliance zeigen: keinen Termin absagen, keine Kritik äußern und alle Medikamente strikt nach Vorschrift einnehmen, selbst dann, wenn es ihnen dadurch immer schlechter geht.
    Doch Maries Therapeut ist in letzter Zeit nicht mehr zufrieden mit der Situation seiner Patientin und auch nicht zufrieden mit der Rolle, in die er selbst hineingeraten ist. Er hat gemerkt, dass es ihr nicht wirklich besser geht, sondern sie nur so tut, als ginge es ihr besser, weil sie es ihm, dem Therapeuten, recht machen will. Dass sie sich dadurch immer tiefer in ihrer Persönlichkeitsstörung verstrickt, liegt auf der Hand. Er hat sich daher schon überlegt, sie härter und kritischer anzugehen, mehr Distanz zu ihr aufzubauen, doch das würde vermutlich nur ihre Verlassensangst verstärken. Also hat er sich am Ende für eine andere Strategie entschieden: Er will seiner Patientin die Angst nehmen, dass von ihr eine komplette Veränderung ihrer Persönlichkeit erwartet wird, da es eigentlich nur darum geht, die problematischen Züge ihres Charakters auf ein erträgliches Maß zurückzuschrauben.

    Und so sitzt er eines Tages seiner Patientin gegenüber, so wie immer, doch vor ihm liegt ein dünner Stapel Papier, durch den er seine Finger gleiten lässt. »Marie, das hier ist der Aufsatz eines Psychiaters, der in gewisser Weise unser Problem tangiert«, sagt er. »Diese Arbeit zeigt, dass Sie eigentlich ein Glückskind sind.« Marie freut sich. Weniger darüber, dass sie selbst ein Glückskind ist. Sondern eher darüber, dass ihr Therapeut offensichtlich glücklich ist. »Aus dieser Studie«, so der Therapeut weiter, »geht einwandfrei hervor, dass Sie vermutlich neunzig, wenn nicht sogar hundert Jahre alt werden.«
    Schweigen, denn Marie ist sichtbar irritiert, und ihr Therapeut will das noch ein wenig ausnutzen. Nach einer gefühlten Ewigkeit spricht er endlich weiter: »Der Aufsatz trägt den Titel: Schlau, verlässlich und – gesund ! Autor ist Prof. Manfred Spitzer von der Universität Ulm. Er ist Psychiater und hat sich ausgiebig mit den Persönlichkeitsmerkmalen beschäftigt, die zu einem langen Leben beitragen. Ihre Eigenschaften, liebe Marie, schneiden da besonders gut ab.« »Das kann ich einfach nicht glauben«, antwortet Marie und ist sofort überrascht, dass tatsächlich so

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